Rz. 59

Der überlebende Ehegatte – und das gilt in gleicher Weise auch auf den Partner einer seit dem Frühjahr 2013 in Frankreich möglichen gleichgeschlechtlichen Ehe – erhält neben Abkömmlingen des Erblassers einen Nießbrauch am gesamten Nachlass oder nach seiner Wahl ein Viertel der Erbschaft zu Eigentum, Art. 757 c.c.[62] Unterlässt er die Wahl, gilt dies als Option für den Nießbrauch, Art. 758–3 f. c.c. Sind nicht sämtliche Kinder des Erblassers zugleich auch Abkömmlinge der überlebenden Ehegatten (Stiefkindsituation), ist umgekehrt die Option des Ehegatten auf den Nießbrauch ausgeschlossen. In diesem Fall erhält der Ehegatte kraft Gesetzes das Viertel zu vollem Eigentum. So können die Stiefkinder sofort ihr Erbe antreten.

 

Rz. 60

Eine weitere Einschränkung des Rechts auf den Nießbrauch[63] ergibt sich aus dem Recht der Erben, die Umwandlung des Nießbrauchs in eine Leibrente zu verlangen (Umsetzungsrecht). Können sich der Ehegatte und die Erben über die Umsetzung nicht einigen, entscheidet das Gericht über Höhe und Sicherheiten für die Rente sowie ihre Anpassung an die Geldentwertung (Indexierung), Art. 760 c.c.

 

Rz. 61

Zum Erbrecht tritt das Recht des Ehegatten hinzu, seine Hauptwohnung samt Einrichtung für ein Jahr lang weiterzunutzen Art. 763 c.c. Außerdem erhält er nach Art. 764 c.c. hieran ein lebenslanges dingliches Wohn- und Nutzungsrecht, welches allerdings auf sein Erbrecht anzurechnen ist. Übersteigt der Wert dieses Wohn- und Nutzungsrechts den Wert seines Erbrechts, ist er nicht zur Erstattung des überschießenden Teils verpflichtet, Art. 765 c.c. Bei einer Mietwohnung beschränkt sich das Nutzungsrecht auf die Einrichtung, Art. 765–2 c.c. Durch Vereinbarung mit den Erben kann der Ehegatte das Wohnrecht auf Lebenszeit in eine Leibrente umsetzen oder kapitalisieren lassen.

 

Rz. 62

Sind die Eltern des Erblassers zur Erbfolge berufen, erhalten diese neben dem überlebenden Ehegatten jeweils ein Viertel. Der Ehegatte erhält die verbleibende Hälfte als Erbe, Art. 757–1 Abs. 1 c.c. Ist einer der Eltern vorverstorben, fällt dessen Viertel dem Ehegatten zu, Art. 757–1 Abs. 2 c.c. Sind beide Eltern vorverstorben, wird der Ehegatte gesetzlicher Alleinerbe, Art. 757–2 c.c. Die Geschwister und weitere Verwandte sind neben dem Ehegatten also nicht mehr zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Vorbehalten ist ein Rückfallrecht für solche Vermögensgegenstände, die der Erblasser von seinen Eltern durch Erbfolge oder Schenkung erworben hatte. Diese Gegenstände fallen zur Hälfte in den jeweiligen Stamm zurück, Art. 758 c.c. Erbt der Ehegatte allein oder zu ¾, haben die weiteren Aszendenten bei Bedürftigkeit eine Unterhaltsforderung gegen den Nachlass, Art. 758 c.c.

 

Rz. 63

 

Praxishinweis

Der Ehegatte erbte bis 2006 nicht, wenn die Scheidung rechtshängig war oder aufgrund seines Verschuldens rechtskräftig die Trennung von Tisch und Bett erklärt worden war. Nach aktuellem Recht (Art. 732 c.c.) schließen Trennung und Rechtshängigkeit einer Scheidungsklage allein seine Rechte noch nicht aus. Es ist daher wichtig, den Ehegatten in einem solchen Fall testamentarisch zu enterben bzw. ggf. auf seinen Pflichtteil (falls keine Abkömmlinge vorhanden sind) zu beschränken.[64]

[62] Nach der bis 2006 geltenden Rechtslage stand ihm lediglich ein Nießbrauch an einem Viertel des Nachlasses zu, Art. 767 c.c. a.F.
[63] Dies gilt nicht allein für den gesetzlichen Ehegattennießbrauch, sondern auch für einen Nießbrauch, der durch Vermächtnis oder Schenkung von Todes wegen zugewandt wurde, Art. 759 c.c.
[64] Unberührt bleiben die Rechte aus einem vor der Heirat abgeschlossenen Erbvertrag (institution contractuelle) oder einer güterrechtlichen Vereinbarung.

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