I. Internationales Erbrecht

1. Europäische Erbrechtsverordnung

 

Rz. 3

Auf ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle ist in Belgien das Erbstatut nach den Vorschriften der EUErbVO zu bestimmen. Dabei ist für die Formwirksamkeit eines Testaments vorrangig das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 zu beachten, welches für Belgien zum 19.12.1971 in Kraft getreten ist.[5]

Die Aufgabe zur Erstellung von Europäischen Nachlasszertifikaten ist in Belgien den Notaren übertragen worden.

[5] BGBl 1971 II, S. 1315.

2. Auf vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle anwendbares Recht

 

Rz. 4

Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, ist zu beachten, dass durch das Gesetzbuch über das Internationale Privatrecht (CODIP)[6] vom 16.7.2004 in Belgien das internationale Erbrecht – welches bis dahin weitgehend auf der Rezeption der französischen Rechtsprechung beruhte – erstmalig kodifiziert worden ist. Wie in Frankreich gilt – wie auch in Belgien schon vor Erlass des Gesetzes – eine gespaltene Anknüpfung: Die Mobiliarerbfolge wird in Art. 78 § 1 CODIP dem am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers geltenden Recht unterstellt. Hierunter ist gem. Art. 4 § 2 CODIP der Ort zu verstehen, an dem eine natürliche Person sich hauptsächlich niedergelassen hat. Für die Immobilienerbfolge gilt das am jeweiligen Belegenheitsort geltende Recht, Art. 78 § 2 CODIP.

 

Rz. 5

Rück- und Weiterverweisungen werden nun gem. Art. 16 CODIP grundsätzlich nicht mehr befolgt.

Auch ein vor dem 16.8.2016 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorbener belgischer Erblasser wird also nicht nur aus deutscher Sicht (wegen der Rückverweisung auf das Recht des Aufenthaltsstaates), sondern auch aus belgischer Sicht (wegen der Unbeachtlichkeit der durch Art. 25 Abs. 1 EGBGB eintretenden Rückverweisung aus belgischer Sicht) nach dem deutschen Recht beerbt.

 

Rz. 6

Neuerung des CODIP 2014 war auch die Einführung der erbrechtlichen Rechtswahl. Gem. Art. 79 CODIP kann der Erblasser seinen gesamten Nachlass dem Recht eines anderen Staates unterwerfen, wenn er zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes diesem Staat angehörte oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Rechtswahl kann die Nachlassgestaltung und -abwicklung erheblich erleichtern, da sie zu einem einheitlichen Erbstatut führt und bei geschickter Gestaltung auch verhindert, dass aus deutscher und aus belgischer Sicht verschiedene Rechtsordnungen als Erbstatut gelten. Unsicherheiten ergeben sich jedoch aus Art. 79 S. 2 CODIP, wonach die Rechtswahl einem Erben nicht seinen Anspruch auf den ihm nach dem objektiv bestimmten Recht zugesicherten Pflichtteil entziehen darf. Die Auslegung dieser Klausel ist noch unklar. Tritt der Erbfall nach dem 15.8.2015 ein, so ist diese Rechtswahl aber gem. Art. 22 Abs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 2 EUErbVO uneingeschränkt wirksam, auch soweit sie die Pflichtteilsrechte beeinträchtigt.

 

Beispiel

Hat ein in Belgien lebender deutscher Erblasser deutsches Recht gewählt und hinterlässt er drei Kinder, so hat die Ehefrau nach dem gewählten deutschen Erbstatut einen Pflichtteil i.H.v. ¼, die Kinder haben nach dem objektiv anwendbaren belgischen Recht einen Pflichtteil i.H.v. ¾. Eine testamentarische Verfügung macht dann keinen Sinn mehr.

[6] Loi portant le Code de Droit international privé, Moniteur Belge vom 27.7.2004, S. 57344 ff. (französische und flämische Fassung); im Internet unter http://www.ejustice.just.fgov.be.

II. Gesetzliche Erbfolge

 

Rz. 7

Das materielle Erbrecht in Belgien basiert auf dem französischen Recht. Derzeit bereitet man in Belgien eine umfassende Reform des Erbrechts vor. Dazu sind bereits wissenschaftliche Gutachten in Auftrag gegeben worden. In welchen Bereichen und wann die Erbrechtsreform in Kraft treten wird, ist aber noch völlig offen.

Seit Inkrafttreten des Reformgesetzes von 1981[7] ist die erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten aber erheblich aufgewertet worden: Neben Kindern erhält er bei gesetzlicher Erbfolge einen Nießbrauch am gesamten Nachlass (Art. 745bis c.c.),[8] der ihn de facto einem alleinigen Vorerben gleichstellt. Der Ehegatte bzw. einer der Abkömmlinge[9] können aber verlangen, dass der Nießbrauch in einen Anteil am Nachlass, einen Kapitalbetrag oder eine indexierte Leibrente umgewandelt wird (Art. 745quater c.c., conversion de l’usufruit, Umsetzungsrecht). Hinterlässt der Erblasser keine Kinder (also bei gesetzlicher Erbfolge in der 2. bis 4. Ordnung), erhält der Ehegatte neben dem Totalnießbrauch am Eigengut des Erblassers vorab das eheliche Gesamtgut, also auch den Anteil des verstorbenen Ehegatten an der ehelichen Gütergemeinschaft, zu Eigentum. Dies gilt sowohl für den gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft als auch für die vertragliche Gütergemeinschaft. In den meisten Fällen wird dies faktisch auf eine Alleinerbenstellung hinauslaufen, da zu vermuten ist, dass das Vermögen des Erblassers zur Errungenschaft gehört. Die Umwandlung des Nießbrauchs kann in diesem Fall nur der Ehegatte selber verlangen. Gesetzlicher Alleinerbe wird der Ehegatte erst, wenn der Erblasser keine erbberechtigten Verwandten (also keine Abkömmlinge, keine Aszendente...

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