Rz. 108

Bewertungen der einzelnen Nachlassgegenstände werden erst erforderlich, wenn eine Teilung in Natur wegen der Beschaffenheit der Nachlassgegenstände nicht möglich ist oder wenn Vorempfänge auszugleichen sind.[87] Beim Vorhandensein ausgleichungspflichtiger Vorempfänge wird der Verteilerschlüssel für die Erbteilung, der sich primär nach den Erbquoten richtet, verändert. Zur Ermittlung der neuen Aufteilungsquoten ist eine Bewertung des Nachlasses vorzunehmen, weil sich anders die neuen Beteiligungsrelationen der Miterben nicht feststellen lassen.[88]

 

Rz. 109

Die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV) vom 14.7.2021[89] ist am 1.1.2022 in Kraft getreten. Diese neue Fassung der bisherigen ImmoWertV wird zur Unterscheidung der bis zum 31.12.2021 geltenden ImmoWertV mit der Jahreszahl 2021 bezeichnet, ohne dass das im Verordnungstitel offiziell erwähnt wird. Die bisher geltende ImmoWertV wird dagegen als ImmoWertV 2010 bezeichnet, da sie vom 19.5.2010 stammt.

Die ImmoWertV 2021 ist eine Neufassung und ersetzt vollständig die bisherige ImmoWertV 2010. Als Methoden kommen in Betracht:

das Vergleichswertverfahren,
das Ertragswertverfahren,
das Sachwertverfahren.
 

Rz. 110

Für eigengenutzte Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen dürfte im Regelfall die Sachwertmethode zum richtigen Ergebnis führen, bei Mietshäusern die Ertragswertmethode, weil es dabei für einen Interessenten auf die Verzinsung seines Kapitaleinsatzes ankommt.[90] Aber auch Mischwerte aus Ertragswert und Sachwert kommen in Betracht.

 

Rz. 111

Nach BGH[91] sind fremd genutzte Betriebsgrundstücke nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten. Diese Entscheidung ist zu Bewertungsfragen im Pflichtteilsrecht ergangen, sie dürfte aber von allgemeiner Bedeutung sein.

 

Rz. 112

Letztlich ist es im Prozess Aufgabe des Tatsachenrichters, die maßgebende Methode bzw. den verbindlichen Wert festzustellen. Wird ein Grundstück zeitnah zum Erbfall veräußert, so ist der Verkaufserlös maßgebend.[92]

 

Rz. 113

Ist der Verkehrswert eines Grundstücks nur durch seine Veräußerung zu realisieren, so sind latente Einkommensteuerbelastungen, die bei einer Veräußerung anfallen, zu berücksichtigen.[93]

 

Rz. 114

Der BGH führt dazu in BGHZ 96, 178, 179, 180 aus:

Zitat

Hat der Erblasser keine Anordnungen gem. § 2048 BGB getroffen und vereinbaren auch die Beteiligten nichts anderes, dann ist der Nachlass unter die Miterben nach den Vorschriften der §§ 2042 ff. BGB auseinanderzusetzen. Der um die Nachlassverbindlichkeiten verminderte Nachlass (§ 2046 Abs. 1 S. 1 BGB) gebührt den Miterben dabei gem. § 2047 Abs. 1 BGB grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer Erbteile.

Hat dagegen eine Ausgleichung von Vorempfängen gem. §§ 2050, 2052 BGB stattzufinden, dann ist das Verfahren zur Berechnung dessen, was auf die Miterben bei der Teilung entfällt, durch §§ 2055, 2056 BGB modifiziert. In einem solchen Falle ist nicht der reale Nettonachlass nach dem Verhältnis der Erbteile aufzuteilen, sondern gem. § 2055 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Nettonachlass, soweit er ausgleichungspflichtigen Miterben zukommt, zunächst rechnerisch um die auszugleichenden Zuwendungen zu vermehren. Da die Zuwendungen dem Nachlass aber nicht wirklich zugeführt werden, ergeben sich bei der Aufteilung des so erhöhten Nachlasses nach dem Verhältnis der Erbteile überhöhte Rechnungsgrößen, die bei den mit der Ausgleichung belasteten Miterben gem. § 2055 Abs. 1 S. 1 BGB durch Kürzung um die auszugleichenden Zuwendungen (die sie ja schon erhalten haben) deshalb wieder zu vermindern sind. Diese Rechnung muss im Allgemeinen zu einer Teilungsquote (Teilungsverhältnis) führen, die von dem Quotienten der Erbteile (Erbschaftsquoten) abweicht und im Gegensatz zu diesen die davon verschiedene wirtschaftliche (finanzielle) Beteiligung der einzelnen Miterben am Nachlass genauer widerspiegelt. …

Die nach diesen Grundsätzen ermittelte Teilungsquote ist demgemäß auch für die hier zu beurteilende Teilauseinandersetzung zugrunde zu legen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um einen in Natur teilbaren Posten von Inhaberaktien handelt. Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, die infolge der Ausgleichung verschobenen Teilungsquoten seien nur oder vorzugsweise bei der Verteilung von Geld zu berücksichtigen …, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Für sie findet sich im Gesetz keine hinreichende Grundlage.

Die §§ 2042 Abs. 2, 752 BGB schreiben für die Teilung des Nachlasses in erster Linie die Teilung in Natur vor. Diese Vorschrift lässt es nicht zu, zwischen verschiedenen Arten teilbarer Gegenstände zu differenzieren und Vorempfänge nur oder in erster Linie mit Geld auszugleichen. Einem derartigen Vorgehen steht auch entgegen, dass der Ausgleichungsberechtigte gerade keinen Geldanspruch auf Ausgleichung hat, sondern dass es sich lediglich um einen Rechnungsposten handelt …, der der Teilung zugrunde zu l...

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