Rz. 43

Die Rechtswahl kann ausdrücklich erfolgen, etwa in der Weise: "Die Erbfolge nach meinem Tode soll dem Recht des Vereinigten Königreichs unterliegen." Art. 22 Abs. 2 EUErbVO lässt es aber auch genügen, dass sich die Rechtswahl "aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen" ergibt. Erstaunlich ist dabei, dass im Gegensatz zu Art. 3 Rom I-VO nicht erforderlich ist, dass sich die Rechtswahl "eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags" ergibt bzw. "sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben" muss (Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO). Erwägungsgrund 39 S. 2 der EUErbVO weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich eine Rechtswahl als sich durch eine Verfügung von Todes wegen ergebend angesehen werden könne, wenn z.B. der Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staates, dem er angehört, genommen hat oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt hat. Damit wird in weitem Umfang eine "konkludente" Rechtswahl[34] ermöglicht, wo der Erblasser die Geltung einer bestimmten Rechtsordnung wollte, aber sich hierzu nicht ausdrücklich geäußert hat. An einen rechtsgeschäftlichen Rechtswahlwillen seien geringe Anforderungen zu stellen.[35] Damit sind einer "ergänzenden Testamentsauslegung" in allen Fällen, in denen sich der Erblasser über die Frage des anwendbaren Rechts nicht einmal Gedanken gemacht hatte, Tür und Tor geöffnet. Im Wege eines "kollisionsrechtlichen favor testamenti" wird sich hieraus wohl ergeben, dass eine Wahl des Heimatrechts dann anzunehmen ist, wenn die getroffenen Verfügungen nur unter Zugrundelegung eines bestimmten der Heimatrechte die offensichtlich beabsichtigten Wirkungen entfalten können.[36] Grenzen für die Unterstellung einer Rechtswahl ergeben sich zunächst aus dem Erfordernis, dass die Rechtswahl sich aus der Verfügung von Todes wegen ergeben muss. Ob ein in Spanien lebender Deutscher das deutsche Erbrecht wählt, wenn er "Vor- und Nacherbfolge" anordnet,[37] ist danach zweifelhaft, denn auch spanisches Recht kennt die "sustitución fideicommissaria"[38] und verlangt für die Wirksamkeit eines Testaments nicht die Verwendung der spanischen Sprache.

 

Rz. 44

Auch kann man daraus, dass Art. 83 Abs. 4 EUErbVO allein für vor dem 17.8.2015 errichtete Verfügungen von Todes wegen ein "Ausgehen" von einer bestimmten Rechtsordnung genügen lässt, ableiten, dass für eine konkludente Rechtswahl i.S.v. Art. 22 Abs. 1 EUErbVO sich diese in irgendeiner Weise konkret im Testament niedergeschlagen haben muss. Eine reine Bezugnahme auf die "Umstände des Einzelfalles" genügt nicht für die Annahme einer Rechtswahl.[39]

 

Rz. 45

Da freilich die internationale Zuständigkeit nach der EUErbVO im Wesentlichen an den gewöhnlichen Aufenthalt und nur ausnahmsweise an der Staatsangehörigkeit des Erblassers ausgerichtet ist, würde die Unterstellung einer Rechtswahl in den meisten Fällen dazu führen, dass das zuständige Gericht der Erbfolge statt der lex fori das ausländische Heimatrecht des Erblassers zugrunde legen müsste. Das mag einer voreiligen Unterstellung einer nicht ausdrücklich formulierten Rechtswahl in der Praxis entgegenwirken.

[34] Dazu Dutta, FamRZ 2013, 8.
[35] Dutta, FamRZ 2013, 8; anders Leitzen, ZEV 2013, 129 unter Bezugnahme auf die Auslegung von Art. 25 Abs. 2 EGBGB.
[36] Vgl. Mansel, in: Leible/Unberath, Rom 0-Verordnung, 2013, S. 276.
[37] So Leitzen, ZEV 2013, 129.
[38] Steinmertz/Huzel/Garcia Alcazar, in: Süß, Erbrecht in Europa, 3. Aufl. 2015, Länderbericht Spanien Rn 118
[39] Vgl. Mansel, in: Leible/Unberath, Rom 0-Verordnung, 2013, S. 276.

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