Rz. 23

Anders als nach bisherigem deutschem Recht wird dem Erblasser gestattet, das für die Rechtsnachfolge von Todes wegen maßgebende Recht in den Grenzen des Art. 22 EuErbVO zu wählen. Die wirksame Rechtswahl verdrängt Art. 21 EuErbVO. Hierbei handelt es sich um eine Sachnormverweisung, wie sich aus Art. 34 Abs. 2 EuErbVO ergibt.

 

Rz. 24

Mit der Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt ergibt sich das Problem der Wandelbarkeit des anzuwendenden Erbrechts. Das Erbrecht kann im Laufe des Lebens des Erblassers mehrfach wechseln, ohne dass es für die Beteiligten erkennbar ist.[21]

Der Erblasser hat jedoch die Möglichkeit, durch ausdrückliche Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen die gesamte Erbfolge dem Recht des Staates zu unterstellen, dem er angehört, Art. 22 EuErbVO (Heimatrecht zur Zeit der Rechtswahl).[22] Ob auch eine konkludente Rechtswahl möglich und wirksam ist, richtet sich nach dem gewählten Recht. Insoweit handelt es sich letztlich um eine Frage der Form der Verfügung von Todes wegen, deren Wirksamkeit sich nach Art. 27 EuErbVO bzw. dem für Deutschland wegen Art. 75 Abs. 1 EuErbVO vorrangig zu beachtenden Haager Testamentsformübereinkommen[23] richtet.

 

Rz. 25

Damit ergibt sich für die Erbfolge nach einem deutschen Staatsangehörigen, dass dieser nach einem ausländischen Recht beerbt wird, wenn er mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb Deutschlands verstirbt. Er kann dies nur verhindern, indem er eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten seines deutschen Heimatrechts trifft. Ein Ausländer wird nach deutschem Recht beerbt, wenn er mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland verstirbt. Eine auf deutsches unbewegliches Vermögen beschränkte Rechtswahl, Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F., wird seit nach Inkrafttreten der EuErbVO nicht mehr anerkannt

 

Rz. 26

Intertemporal erstreckt sich die EuErbVO auf alle Erbfälle, die nach ihrem Inkrafttreten eingetreten sind. Eine vor Inkrafttreten getroffene Rechtswahl bleibt wirksam, soweit sie gemäß Art. 22 EuErbVO zulässig ist. Aus Art. 22 Abs. 1 EuErbVO ergibt sich, dass es unzulässig wäre, das Recht des Staates "dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt angehören wird" zu wählen; vielmehr ist nur die Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit zum Errichtungszeitpunkt möglich. Darüber hinaus ist Art. 83 EuErbVO zu beachten:

 

Art. 83 EuErbVO Übergangsbestimmungen

(1) Diese Verordnung findet auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die am 17. August 2015 oder danach verstorben sind.

(2) Hatte der Erblasser das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem 17. August 2015 gewählt, so ist diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist.

(3) Eine vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von Todes wegen ist zulässig sowie materiell und formell wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist.

(4) Wurde eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 nach dem Recht errichtet, welches der Erblasser gemäß dieser Verordnung hätte wählen können, so gilt dieses Recht als das auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendende gewählte Recht.

 

Rz. 27

Die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl unterliegt nach Art. 22 Abs. 3 EuErbVO dem jeweils gewählten Recht.

 

Rz. 28

Gehört der Erblasser mehreren Staaten an (Mehrrechtsstaater), so ist die Rechtswahl bzgl. aller Staatsangehörigkeiten möglich, Art. 22 Abs. 1 S. 2 EuErbVO. Bei Staatenlosen ist vorrangig das New Yorker UN-Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954[24] zu beachten. Für Flüchtlinge ist wiederum vorrangig das Genfer UN-Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951[25] zu beachten.

 

Rz. 29

Möglich ist auch der Widerruf bzw. die Änderung der Rechtswahl. Sie unterliegen den gleichen Anforderungen wie die erstmalige Ausübung der Rechtswahl. Zu beachten ist aber die Vorschrift des Art. 22 Abs. 4 EuErbVO. Danach muss die Änderung oder der Widerruf der Rechtswahl den Formvorschriften für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen entsprechen. Art. 22 Abs. 4 EuErbVO enthält allerdings keine Regelung zur materiellen Wirksamkeit des Widerrufs bzw. der Änderung der Rechtswahl. Nach einer Ansicht ist Voraussetzung der materiellen Wirksamkeit einer Änderung/eines Widerrufs, dass diese/r sowohl nach dem bisherigen gewählten als auch nach dem neu gewählten Recht zulässig ist.[...

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