Rz. 39

Ein geschiedener Ehegatte des Erblassers kann unter den Voraussetzungen des § 1586b BGB[61] Unterhaltsansprüche gegen die Erben geltend machen.[62] Die Forderung ist jedoch auf den fiktiven Pflichtteil des geschiedenen Ehegatten begrenzt.

 

Rz. 40

Die Pflichtteilsquote ist nach § 2310 BGB zu ermitteln. Diejenigen, die einen Erbverzicht erklärt haben, werden nicht mitgezählt.[63] Der fiktive Pflichtteil des geschiedenen Ehegatten erhöht sich also. Ein Pflichtteilsverzicht bleibt ohne Einfluss auf den fiktiven Pflichtteil.

 

Rz. 41

Heftig umstritten ist, welche Wirkung ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht eines (später) geschiedenen Ehegatten auf den Anspruch aus § 1586b BGB hat. Der Ansicht von Bergschneider ist zuzustimmen, wonach zunächst immer die zu prüfende Erklärung ausgelegt werden sollte.[64] Wurde der Verzicht etwa ohne Gegenleistung allein zur gemeinsamen Begünstigung der Kinder erklärt, kann dies eher für einen mutmaßlichen Willen sprechen, nach dem der Unterhaltsanspruch nicht betroffen sein sollte.[65]

Ist eine Auslegung nicht möglich, muss im Streit um den Zweck der Norm § 1586b BGB Stellung bezogen werden:

Entweder wird der Anspruch aus § 1586b BGB als Ausgleich für das durch die Scheidung weggefallene Erbrecht gesehen;[66] dann entfällt mit dem Verzicht auch der Unterhaltsanspruch; oder
§ 1586b BGB wird als Unterhaltsanspruch qualifiziert,[67] und der Pflichtteil wird danach nur zur höhenmäßigen Begrenzung erwähnt; ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht erfasst dann nicht den Anspruch nach § 1586b BGB.

Die Einordnung der Norm in das Familienrecht spricht für die zweite Meinung; die sich dann aber ergebende Besserstellung des geschiedenen gegenüber dem verheirateten Ehegatten, der auf den Pflichtteil verzichtet hat, für die erste – überwiegende – Meinung.[68]

Nach hier vertretener Ansicht bleibt der Anspruch aus § 1586b BGB auch bei einem Erb- oder Pflichtteilsverzicht bestehen. Eine Besserstellung des geschiedenen Ehegatten wird oft dadurch deutlich relativiert, dass der verheiratete Ehegatte eine Witwen- oder Witwerversorgung erhält. Zudem kann eine wirtschaftliche Folge nicht die Gesetzessystematik außer Kraft setzen. Mit der Regelung des § 1586b BGB hat der Gesetzgeber eine unterhaltsrechtliche Wertung getroffen.

Rechtsprechung hierzu ist allerdings nicht ersichtlich. In der Praxis kann durch eindeutige Gestaltung, sprich Formulierungen, vorgesorgt werden.[69]

[61] Gilt für seit dem 1.7.1977 geschiedene Eheleute. Für Altfälle vgl. Bergschneider, FamRZ 2003, 1049, 1057 m.w.N.
[62] Vgl. eingehend Bergschneider, FamRZ 2003, 1049–1057; Horndasch, NJW 2015, 2168.
[63] Bergschneider, FamRZ 2003, 1049, 1053.
[64] Bergschneider, FamRZ 2003, 1049, 1056; auch Dieckmann, NJW 1980, 2777, 2779–2281 legt aus, wenn er seinen Ansatz einer "Ergebnisprüfung" unterzieht.
[65] Bergschneider, FamRZ 2003, 1049, 1056; Grziwotz, FamRZ 1991, 1258, 1259.
[66] Dieckmann, NJW 1980, 2777–2781; Dieckmann, FamRZ 1992, 633; Grüneberg/Brudermüller, § 1586b Rn 8.
[67] So: Bergschneider, FamRZ 2003, 1049, 1057; Pentz, FamRZ 1998, 1344–1346; Klingelhöffer, ZEV 1999, 13; Schmitz, FamRZ 1999, 1569 (Erwiderung zu Dieckmann); Reimann, in: FS Schippel, S. 301, 307; so auch – wenngleich ausdrücklich nur für den Pflichtteilsverzicht – Grziwotz, FamRZ 1991, 1258, 1258 f.
[68] Nachvollziehbar abwägend Staudinger/Baumann, § 1568b Rn 48.
[69] Formulierungsbeispiele: siehe § 24 in diesem Werk (Bonefeld/Heindl); Bonefeld, ZErb 2002, 96, 97; Frenz, ZEV 1997, 450 f.; Kindermann, ZFE 2003, 175.

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