Rz. 58

Sowohl der Erbverzicht als auch der Pflichtteilsverzicht können zu Lebzeiten der Vertragsparteien ohne weiteres einvernehmlich, vertraglich mit notarieller Beurkundung aufgehoben werden, §§ 2351, 2348 BGB.[107] Die Aufhebung des Erbverzichts ist ebenfalls ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft.[108] Sie kann auch in dem Vertrag vorbehalten werden.[109]

 

Rz. 59

Nach fast allgemeiner Ansicht ist die Aufhebung eines Erbverzichts nur bis zum Tod des Erblassers möglich.[110] Die Frage, ob dies auch für den Pflichtteilsverzicht gilt, wird bejaht,[111] obgleich die Gründe insoweit weniger zwingend sind. Zwar kann ein Pflichtteilsverzicht von dem Erben und den Pflichtteilsberechtigten einvernehmlich ignoriert und dadurch faktisch wirkungslos werden, sodass eine Aufhebung nicht notwendig erscheint. Ein solches Vorgehen ist allerdings unverbindlich und wäre u.U. angreifbar (§ 812 BGB). Durch den Pflichtteilsverzicht wird aber die Erbfolge nicht verändert, sodass dies nicht gegen die Möglichkeit der Aufhebung spricht. Da der Erbe der Schuldner des Pflichtteils ist, sollte ihm die einvernehmliche Aufhebung des Verzichtsvertrages zusammen mit dem Pflichtteilsberechtigten möglich sein. Schließlich kann der Erbe auch einen anderen schuldrechtlichen Vertrag des Erblassers mit einem Dritten aufheben oder ändern.

 

Praxishinweis

Interessant kann diese o.g. Möglichkeit werden, wenn der Erbe verschuldet ist und der Nachlass für die Eigengläubiger des Erben durch Verbindlichkeiten geschmälert werden soll. Allerdings sind dabei Anfechtungsrechte zu beachten.

 

Rz. 60

Schindler behandelt schließlich die Frage, ob die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments die spätere Aufhebung des Verzichts unwirksam werden lassen kann, wenn das Testament auch mit Rücksicht darauf errichtet wurde.[112] Er bejaht mit guten Argumenten die Unwirksamkeit, indem er die Aufhebung als letztwillige Verfügung qualifiziert und auf das Schutzbedürfnis für den Erstverstorbenen hinweist. J. Mayer widerspricht und bevorzugt eine Lösung über § 2287 BGB.[113] Mit der Interessenlage und den Gestaltungsmöglichkeiten bei Patchworkkonstellationen setzt sich Klosky auseinander.[114]

[107] Grüneberg/Weidlich, § 2346 Rn 17; für den Zuwendungsverzicht s. BGH NJW-RR 2008, 747 f. m.w.N.
[108] Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 93.
[109] Vgl. Klosky, RNotZ 2022, 357, 361 f.
[110] BGHZ 139, 116; BGH NJW 1999, 798; MüKo/Wegerhoff, § 2346 Rn 10; Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 96 m.w.N.; a.A. J. Mayer, MittBayNot 1999, 41.
[111] Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 93; MüKo/Wegerhoff, § 2346 Rn 10.
[112] Schindler, DNotZ 2004, 824.
[113] J. Mayer, ZEV-Report Zivilrecht 2005, 175, 176 f.; dazu wiederum Schindler, ZEV 2005, 299.
[114] Klosky, RNotZ 2022, 357, 361.

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