I. Allgemeines

 

Rz. 45

Der Pflichtteilsverzicht ist ein beschränkter Erbverzicht, § 2346 Abs. 2 BGB. Die Begrenzung des Verzichts bspw. auf einzelne Vermögenswerte ist beim Pflichtteilsverzicht nach inzwischen allgemeiner Meinung weitgehend unproblematisch möglich, auch auf einzelne Abkömmlinge.[79] Beim Erbverzicht ist dies nicht zulässig, da durch ihn aufgrund der Universalsukzession die Erbfolge und -quoten beeinflusst werden. Ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht ist insbesondere bei lebzeitigen Übertragungen beliebt, um den Übertragungsempfänger vor Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu schützen und mit den Verzichtenden einen Ausgleich schon vor dem Erbfall zu vereinbaren.

II. Beschränkter Erbverzicht

 

Rz. 46

Der Erbverzicht kann z.B. unter Beachtung des erbrechtlichen Grundsatzes der Universalsukzession auf einen Bruchteil des Erbrechts beschränkt werden.[80] Möglich ist auch eine Beschränkung auf das Hoferbrecht nach der Höfeordnung bzw. das hoffreie Vermögen.[81]

Soll der Pflichtteilsberechtigte nur den Pflichtteil erhalten, kann auch ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht unter Vorbehalt des Pflichtteils vereinbart werden.[82] Damit muss der potentielle Erblasser nicht unbedingt mehr testieren. Ohne Verfügung würde der Pflichtteilsberechtigte zwar Erbe, aber nur zu einer Quote in Höhe seines Pflichtteils.

 

Praxishinweis

In einer letztwilligen Verfügung sollte klargestellt werden, ob der Verzichtende mit dem Erbfall Miterbe oder nur außenstehender Pflichtteilsberechtigter werden soll.

[80] Grundlegend Coing, JZ 1960, 209.
[81] Ivo, ZEV 2004, 316 (mit Formulierungsvorschlag); OLG Oldenburg FamRZ 1998, 645; MüKo/Wegerhoff, § 2346 Rn 18.
[82] MüKo/Wegerhoff, § 2346 Rn 16.

III. Beschränkter Pflichtteilsverzicht

1. Allgemeines

 

Rz. 47

Es ist möglich, nur auf Teile des Pflichtteilsanspruchs zu verzichten.[83] Für den Gestalter ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, wenn Teilverzichte mit anderen familien-, erb- und gesellschaftsrechtlichen Instrumenten kombiniert werden. In der Praxis ist der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht aufgrund seiner grundsätzlich klaren Struktur und seiner Ergänzungsfunktion bei lebzeitigen Übertragungen besonders relevant.

[83] Umfassender Überblick: J. Mayer, ZEV 2000, 263–265.

2. Beschränkungsmöglichkeiten

 

Rz. 48

Dies betrifft etwa den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB, wobei nach J. Mayer eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des Verzichts auf zukünftige Ansprüche besteht.[84] Denkbar ist auch der Verzicht auf den Zusatzpflichtteil, einen Anteil am Pflichtteil und die Anwendung von § 2306 BGB.[85] Zu beachten ist, dass ein Verzicht nur auf Pflichtteilsergänzungsansprüche Ausgleichsansprüche nicht umfassen würde.[86] Der Verzichtende kann dem Erblasser auch die Befugnis einräumen, ihm Beschränkungen wie Vermächtnisse oder Auflagen aufzuerlegen.[87]

[84] J. Mayer, ZEV 1996, 441, 445 m.w.N.
[85] Ausf. Krauß, S. 755–770; vgl. auch Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 47–53.
[86] J. Mayer, ZEV 2000, 263.
[87] Coing, JZ 1960, 209, 211.

3. Insbesondere: Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht

 

Rz. 49

Beim sog. gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht soll ein Nachlassgegenstand bei der späteren Berechnung des Pflichtteils als (zum Teil) nicht zum Nachlass gehörend angesehen werden. Im Gegensatz zum Erbrecht gibt das Pflichtteilsrecht dem Berechtigten keine Beteiligung am Nachlass, sondern einen Geldanspruch gegen den Nachlass. Der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht ist daher zulässig, was auch allgemein anerkannt ist.[88] Daher ist es bspw. möglich, den Pflichtteil schon zu Lebzeiten zu beziffern, einzelne Immobilien bei der Berechnung des Pflichtteils herauszunehmen oder eine bestimmte Bewertung (etwa mit dem Buchwert) eines Unternehmens zu vereinbaren.

Bei lebzeitigen Gestaltungen mit z.B. unentgeltlichen Übertragungen einzelner Vermögenswerte auf einen von mehreren Abkömmlingen, wird ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht der anderen Abkömmlinge sinnvoll, wenn nicht sogar zwingend sein. Allerdings sind die notariellen Formvorschriften mit ihrer Aufklärungs- und Warnfunktion[89] zu beachten. Eine dem nicht entsprechende, einfache Zustimmung zur Schenkung kann nicht als Pflichtteilsverzicht gewertet werden.[90] Auch § 242 BGB kann später nach hier vertretener Ansicht nicht eingewandt werden, da so die schützende Formvorschrift entwertet würde.[91] Das OLG Saarbrücken entschied in diesem Zusammenhang, dass auch bei einem Rückerwerb des Vermögenswertes durch den Erblasser der Verzicht wirksam bleiben kann.[92]

[88] Fette, NJW 1970, 743 (fundiert und wegweisend); Coing, JZ 1960, 209, 211; J. Mayer, ZEV 2000, 263, 263; Haegele, Rpfleger 1968, 247, 249 f.; Haegele, BWNotZ 1971, 37, 40; Weirich, DNotZ 1986, 5, 10 f.; Cremer, MittRhNotK 1978, 169; MüKo/Wegerhoff, § 2346 Rn 20; Grüneberg/Weidlich, § 2346 Rn 15 (dessen "bestr." angesichts der Meinungslage nur schwer nachvollzogen werden kann); a.A. wohl Lange, Erbrecht, 1962, S. 67, aber schon in der 2. Aufl. 1978 von Kuchinke aufgegeben, S. 100 Fn 31; Harrer, ZBIFG 1915, 1, 11 (beide nach Cremer, MittRhNotK 1978, 169); Schopp, Rpfl...

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