Rz. 22

Der verwitwete Elternteil G des M lebt im Pflegeheim. Nach Einsatz seines eigenen Einkommens und nach Berücksichtigung der Leistungen aus der Pflegekasse hat der vermögenslose G einen ungedeckten Restbedarf von monatlich 2.000 EUR. M ist verheiratet und hat ein Kind, den 17-jährigen K. K geht noch zur Schule. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 3.500 EUR (Jahresbruttoeinkommen von 120.000 EUR, monatliches Nettoeinkommen ca. 6.000 EUR, nach Bereinigung 3.500 EUR), seine Ehefrau F hat ein solches in Höhe von 1.000 EUR. G (bzw. der Sozialhilfeträger, der zunächst für den Bedarf aufgekommen ist und auf den der Unterhaltsanspruch übergegangen ist) verlangt von M Unterhalt.

I. Anspruchsinhaberschaft (Aktivlegitimation)

 

Rz. 23

Zu den Voraussetzungen des Anspruchsübergangs nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz vgl. zunächst Fall 54 (siehe oben Rdn 1).

II. Anspruchsgrundlage für Elternunterhalt

 

Rz. 24

Zum Elternunterhalt vgl. zunächst Fall 54 (siehe oben Rdn 1).

 

§ 1601 Unterhaltsverpflichtete

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Ein vorrangig haftender Ehegatte des G ist nicht vorhanden.

 

§ 1608 Haftung des Ehegatten oder Lebenspartners

(1) Der Ehegatte des Bedürftigen haftet vor dessen Verwandten. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, haften die Verwandten vor dem Ehegatten. § 1607 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend. Der Lebenspartner des Bedürftigen haftet in gleicher Weise wie ein Ehegatte.

III. Bedarf und Bedürftigkeit

 

Rz. 25

Vgl. hierzu Fall 54 (siehe oben Rdn 1).

G hat im Fallbeispiel einen ungedeckten Restbedarf von 2.000 EUR.

IV. Umfang der Leistungsfähigkeit des M

 

Rz. 26

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.100 EUR.

 

Hinweis

Auch wenn der Unterhaltspflichtige geringere Einkünfte als sein Ehegatte hat, ist die Leistungsfähigkeit anhand des individuellen Familienbedarfs zu ermitteln – und nicht nur nach seinem Eigeneinkommen. Vgl. hierzu den Hinweis Rdn 35.

1. Vorwegabzug von Kindesunterhalt

a) Bemessung des Kindesunterhalts nur nach dem Einkommen des M

 

Rz. 27

Der Unterhalt des K könnte hier allein nach dem Einkommen von M bestimmt werden.

F erfüllt ihre Unterhaltspflicht durch die Betreuung des noch minderjährigen Kindes.

Der Kindesunterhalt, der hier zu Berechnungszwecken als Geldbetrag auszuweisen ist, bestimmt sich nach der Düsseldorfer Tabelle.

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.500 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 5 (3.101 bis 3.500 EUR) zur Anwendung. Es sind drei Unterhaltsberechtigte vorhanden (F, K und G). Die DT geht von zwei Unterhaltsberechtigten aus. Deshalb ist die Herabstufung um eine Einkommensgruppe in Gruppe 4 geboten.

K ist 17 Jahre alt (dritte Altersstufe). Der Bedarf nach der DT beträgt somit 613 EUR. Abzüglich des hälftigen Kindergelds ergibt sich ein (fiktiver) Zahlbetrag von 503,50 EUR (613 – 109,50 EUR).

M verbleiben rechnerisch 2.996,50 EUR (3.500 – 503,50 EUR).

b) Bemessung des Kindesunterhalts nach dem zusammengerechneten Einkommen von M und F

 

Rz. 28

Da auch F Einkommen hat und die Eltern von K, also M und F zusammenleben, wird der Barbedarf des Kindes durch ein isoliertes Abstellen auf das Einkommen des M nicht richtig abgebildet.

Deshalb ist der Bedarf des Kindes K nach dem zusammengerechneten Einkommen von M und F zu ermitteln und auch bei F deren Haftungsanteil zu berücksichtigen.

 

BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16

Vom unterhaltsrelevanten Einkommen abzusetzen ist allerdings ein nicht anderweitig gedeckter vorrangiger Barunterhalt an das Kind (oder ein an dessen Stelle tretender Naturalunterhalt; vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 11.1.2017 – XII ZB 565/15, juris Rn 24 f., 28 f.).

Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Bei minderjährigen Kindern, die noch im Haushalt (mindestens) eines Elternteils leben, handelt es sich dabei um eine abgeleitete Lebensstellung. Sie leitet sich grundsätzlich von beiden Elternteilen ab, so dass bei der Bedarfsbemessung auf die zusammengerechneten Einkünfte beider Eltern abzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11.1.2017 – XII ZB 565/15, juris Rn 25 und Senatsurteil vom 17.12.2003 – XII ZR 224/00, FamRZ 2004, 370, 373).

Insoweit besteht auch kein Unterschied zu einem abgeleiteten Barunterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes, der sich ebenfalls nach den zusammengerechneten Einkünften beider Elternteile bemisst (vgl. Senatsurteil vom 2.3.1994 – XII ZR 215/92, FamRZ 1994, 696, 698).

Auf diesen Unterhaltsbedarf des Kindes ist gemäß § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 BGB das hälftige Kindergeld anzurechnen. Denn nach der gesetzlichen Regelung in § 1612b Abs. 1 S. 1 BGB entlastet das Kindergeld die Eltern minderjähriger Kinder zur Hälfte von ihrer Barunterhaltspflicht und steht zur anderen Hälfte dem betreuenden Elternteil (im Wechselmodell den betreuenden Elternteilen) zu (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.1.2017 – XII ZB 565/15, juris Rn 47 ff. und vom 20.4.2016 – XII ZB 45/15, FamRZ 2016, 1053 Rn 23 ff.).

Die Kinderbetreuung (Unterhalt in Form der Betreuung) ist nicht in Geld zu veranschlagen und vom Einkommen abzuziehen. Kinderbetreuung kann allenfalls dazu führen, dass...

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