Rz. 17

 

Achtung: Falsche Verdächtigung gem. § 164 StGB

Bewusst wahrheitswidriges Benennen eines anderen als verantwortlicher Fahrer gegenüber der Behörde ist als falsche Verdächtigung gem. § 164 Abs. 2 StGB selbst dann strafbar, wenn nur eine Ordnungswidrigkeit Verfahrensgegenstand war (zu Einzelheiten siehe § 9 Rdn 7 ff.).

Das gilt allerdings dann nicht, wenn die Behörde ohnehin bereits einen Verdacht gegen den Benannten hatte (OLG Celle NZV 2009, 517) bzw. der Betreffende mit seiner Verdächtigung (auch) bezweckte, sich selbst vor der Strafverfolgung zu schützen (OLG Koblenz DAR 2011, 218).

I. Beratung

 

Rz. 18

Im Wissen um die weit verbreitete Meinung, der Unschuldige habe keinen Grund zu schweigen, wollen Beschuldigte sich regelmäßig redend verteidigen. Von dieser Absicht bringt sie auch der Hinweis nicht ab, dass gerade in Verkehrssachen ein schweigender Beschuldigter meistens leichter und erfolgreicher zu verteidigen ist. Damit das Schweigen für den Beschuldigten überhaupt zu einer akzeptablen Verteidigungsalternative werden kann, muss ihm der Verteidiger die juristische Einordnung erklären:

II. Beweismittel gegen sich selbst

 

Rz. 19

Bevor er entscheidet, ob er sich redend oder schweigend verteidigen will, muss er wissen, dass eine Einlassung ein Beweismittel gegen ihn selbst sein kann. Zur Bewertung der Einlassung in Verkehrssachen siehe insbesondere OLG Köln DAR 2013, 393. Der Beschuldigte muss auch daran denken, dass Gerichte oft ihre Überzeugung von der Schuld des Angeklagten (rechtswidrig OLG Hamm zfs 2003, 257) allein damit gewinnen, dass die Einlassung des Angeklagten widerlegt wird. Bei der Entscheidung, ob sich der Angeklagte redend verteidigen will, muss auch mit einkalkuliert werden, dass erfahrungsgemäß Angeklagte der Befragung durch Richter oder Staatsanwalt nicht standhalten können.

III. Die meist beste Entscheidung: Schweigen

1. Keine nachteiligen Schlüsse

 

Rz. 20

Aus dem Schweigen des Beschuldigten dürfen weder im Bußgeld- noch im Strafverfahren für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden (BGHSt 25, 365; BGH StV 1990, 9; BVerfG NStZ 1995, 555; OLG Zweibrücken zfs 2000, 513). Das gilt selbstverständlich auch, wenn der Beschuldigte den für den Verstoß verantwortlichen Fahrer nicht angibt (EGMR DAR 2010, 571).

 

Rz. 21

Hat der Angeklagte umfassend geschwiegen, darf aus seinem sonstigen Verhalten, wie z.B. aus seiner Weigerung, einen Zeugen von seiner Schweigepflicht zu entbinden, kein für ihn nachteiliger Schluss gezogen werden (BGH NJW 2000, 1426).

2. Schweigen nach Äußerung im Vorverfahren

 

Rz. 22

Dies gilt auch, wenn er sich im Vorverfahren geäußert, in der Hauptverhandlung jedoch geschwiegen hat (OLG Düsseldorf zfs 1994, 266; BGH StraFo 1998, 413; OLG Karlsruhe DAR 2005, 104).

3. Verlesbarkeit im Vorverfahren abgegebener schriftlicher Erklärungen

 

Rz. 23

Eine im Vorverfahren abgegebene schriftliche Erklärung des Angeklagten ist zwar - im Gegensatz zu einer in der Hauptverhandlung abgegebenen - nicht als Einlassung, auch nicht als Teileinlassung zu werten; dennoch kann sie durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt werden (OLG Zweibrücken StV 1986, 290; BGH StraFo 1998, 413).

Erklärungen, die der Verteidiger für seinen Mandanten abgegeben hat, können dagegen nicht durch Urkundenbeweis in die Hauptverhandlung eingeführt werden, wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung schweigt (BGH StV 1993, 623; Thüringer OLG VRS 2005, 24), denn vom Verteidiger abgegebene Erklärungen können, wenn er sich nicht aufgrund einer ihm erteilten Erklärungsvollmacht äußert (OLG Frankfurt zfs 2000, 272; OLG Hamm zfs 2006, 710), grundsätzlich nicht als Einlassung seines Mandanten gewertet werden (OLG Koblenz NZV 2007, 587).

4. Vorausgegangene Vernehmung in einem Zivilverfahren

 

Rz. 24

Das gilt selbst für ein zivilrichterliches Protokoll über die Vernehmung des jetzigen Angeklagten als Zeuge, allerdings nur, wenn die Voraussetzungen für die Verwertbarkeit im Strafprozess (BGHSt 38, 214) erfüllt sind (BGH bei Tolksdorf, DAR 1997, 181).

5. Nach Aussageverweigerung als Zeuge

 

Rz. 25

Nachteilige Schlüsse für den Angeklagten können aus seinem Schweigen auch dann nicht gezogen werden, wenn er sich bei seiner Vernehmung als Zeuge in einem den gleichen Tatkomplex betreffenden Verfahren auf sein Verweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen, in dem anschließend gegen ihn eingeleiteten Verfahren aber geschwiegen hat (BGH NJW 1992, 2302).

6. Ausfüllen des Anhörungsbogens

 

Rz. 26

Ebenso wenig können aus der Ausfüllung, Unterschrift und Rücksendung des Anhörungsbogens eines ansonsten schweigenden Betroffenen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden (OLG Karlsruhe DAR 1978, 77; OLG Celle VRS 45, 140), wie überhaupt aus dem Schweigen des Halters kein für ihn nachteiliger Schluss gezogen werden darf (OLG Koblenz VRS 58, 377; EGMR DAR 2010, 571).

7. Änderung des Aussageverhaltens

a) Einlassung nach ursprünglichem Schweigen

 

Rz. 27

Der zunächst schweigende Angeklagte kann ohne Nachteil sein Schweigen jederzeit aufgeben und Angaben machen. Die Tatsache, dass er zunächst geschwiegen hat, darf nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (BGH NStZ 1995, 20; OLG Stuttgart NZV 1998, 42; OLG Braunschweig NZV 2001, 136; OLG Karlsruhe DAR 2005, 104).

 

Rz. 28

 

Achtung: Protokollierung erforderlich

Hat sich der Angeklagte zunächst nicht eingelassen, ist die Tatsache der späteren Einlassung eine in das Protokoll aufzunehmende Förmlichkeit i.S.d. § 273 StPO; dies auch dann, wenn er sich erst i.R....

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