Rz. 20

Eine ärztliche Fahreignungsbegutachtung dient der Beurteilung, ob sich durch die individuelle körperliche und geistige Ausstattung (unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeit zur Kompensation von vorliegenden Gesundheitsstörungen) Beeinträchtigungen der Fahreignung mit Bezug auf die allgemeinen Anforderungen an den öffentlichen Straßenverkehr ergeben. Der begutachtende Arzt nutzt dabei seine Sachkenntnis über Zusammenhänge zwischen Krankheitsbildern, akuter Symptomatik, Verlaufsformen, kurativen oder statuserhaltenden Maßnahmen sowie individuellen Kompensationsmöglichkeiten.

 

Rz. 21

Überprüft wird dabei allerdings nicht nur die Grunderkrankung, sondern auch der mögliche Einfluss der verordneten Medikation. Besondere Bedeutung kommt hierbei den sogenannten Psychopharmaka zu. Dies steht auch in den Begutachtungsleitlinien festgeschrieben:

Zitat

Werden Krankheiten und Krankheitssymptome mit höheren Dosen psychoaktiver Arzneimittel behandelt, so können unter Umständen Auswirkungen auf das sichere Führen von Kraftfahrzeugen erwartet werden, und zwar unabhängig davon, ob das Grundleiden sich noch auf die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit eines Betroffenen auswirkt oder nicht.[6]

 

Rz. 22

Aber auch andere Arzneimittel können einen negativen Einfluss auf das Reaktionsvermögen, die Leistungsfähigkeit und somit die Fahreignung haben. Dazu zählen u.a.:

Hypnotika und Sedativa (Zopiclon, Diazepam und Abkömmlinge),
Antidepressiva,
Neuroleptika,
Antihistaminika,
zentral wirksame Analgetika,
Blutdruckmedikamente,
Antiparkinson-Medikamente,
Antiepileptika.[7]
 

Rz. 23

Schätzungen gehen davon aus, dass rund 15–20 % aller Arzneimittel einen Einfluss auf die Fahreignung haben,[8] vor allem durch das Herabsetzen der Reaktionsfähigkeit. Als besonders problematisch werden dabei der Behandlungsbeginn sowie Dosisänderungen angesehen. Zudem können bei Mehrfachmedikation unerwartete Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen auftreten, die ebenfalls die Fahreignung beeinträchtigen können. Dieses Risiko besteht auch bei Medikamenten, die für sich genommen keinen nennenswerten Einfluss auf das Leistungsvermögen oder die Reaktionsfähigkeit haben.

 

Rz. 24

Hier kommt dem behandelnden Arzt eine bedeutende Rolle in Bezug auf die Information und Aufklärung des Patienten zu. Zur Absicherung des Arztes sollte dies stets schriftlich in der Patientenakte fixiert werden. Unterlässt der Arzt eine entsprechende Aufklärung, kann er im Falle eines Unfalls haftbar gemacht werden.

 

Rz. 25

Der Arzt unterliegt dabei generell der Schweigepflicht Dritten gegenüber. Hat er aufgrund des erhöhten Risikos die Empfehlung zur Nichtteilnahme am Straßenverkehr ausgesprochen, an die sich ein uneinsichtiger Patient jedoch nicht hält, kann der Arzt im Einzelfall dennoch die Fahrerlaubnisbehörde informieren. Dazu bedarf es allerdings eines rechtfertigenden Notstandes (gemäß § 34 StGB)[9]. Weiterführende Informationen hierzu finden sich in dem Buch "Arzthaftung bei problematischer Fahreignung"[10], zuletzt erschienen in 2. Auflage 2008 im Kirschbaum Verlag.

[6] Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.), Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung: Stand: 14.8.2017 (online verfügbar unter http://www.bast.de/DE/Verkehrssicherheit/Fachthemen/BLL/Begutachtungsleitlinien-2017.pdf?__blob=publicationFile&v=10 [Zugriff 1.9.2017]), S. 84.
[7] Vgl. Herzberg, Besondere Fälle bei ärztlichen Gutachten. Unveröffentlichter Vortrag beim Erfahrungsaustausch im Institut für Verkehrssicherheit der TÜV Thüringen Fahrzeug GmbH & Co. KG, 2016.
[8] von Herrath/Ludwig/Schuler (Hrsg.), Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr, Der Arzneimittelbrief, 43 (89), 2009 (online verfügbar unter http://www.der-arzneimittelbrief.de/de/Artikel.aspx?SN=7047 [Zugriff 1.9.2017]).
[9] Graw/Mußhoff, THC als Arzneimittel – Frage nach Fahrsicherheit und der Fahreignung, Blutalkohol, 53 (4), 2016, S. 289.
[10] Hoffmann-Born/Peitz (Hrsg.), Arzthaftung bei problematischer Fahreignung, 2. Aufl. 2008.

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