Rz. 71

Ungeachtet der oben beschriebenen Zuständigkeit für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde kann diese nach § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO sowohl beim Ausgangsgericht (iudex a quo) als auch beim Beschwerdegericht (iudex ad quem) eingelegt werden.

 

Rz. 72

In beiden Fällen ist aber das Ausgangsgericht nach § 572 Abs. 1 ZPO zunächst berufen, darüber zu befinden, ob es die Beschwerde für begründet erachtet. Wird also die sofortige Beschwerde beim Beschwerdegericht eingelegt, ist diese zunächst an das Ausgangsgericht zurückzuleiten.

 

Rz. 73

 

Hinweis

Dies gilt auch und insbesondere für den Fall, dass das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde für begründet erachtet. Die Abhilfebefugnis dient der Selbstkontrolle des Gerichts und erhält den Betroffenen die Instanz.[53] Auch bei Einlegung der Beschwerde beim Beschwerdegericht ist diese also ohne Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit an das Ausgangsgericht zurückzureichen.

 

Rz. 74

 

Tipp

Diese zeitliche Verzögerung kann von allen Beteiligten taktisch eingesetzt werden. Auch wenn die Entscheidung keine aufschiebende Wirkung hat, ergibt sich rein faktisch durch das Beschwerdeverfahren eine zeitliche Verzögerung des Gesamtverfahrens. Mit einer Einlegung der Beschwerde beim Beschwerdegericht kann die Verzögerung verlängert werden, da die Akten zunächst dem Ausgangsgericht wieder zur Abhilfeentscheidung vorzulegen sind. Mit einer Einlegung beim Ausgangsgericht kann die Verzögerung dagegen möglichst knapp gehalten werden, da dieses unmittelbar über die Abhilfe entscheiden kann.

 

Rz. 75

Teilweise wird allerdings eine unmittelbare Entscheidung des Beschwerdegerichts für möglich gehalten, wenn nach dessen Prüfung feststehe, dass die angefochtene Entscheidung rechtmäßig sei, d.h. auch im Abhilfeverfahren keine andere Entscheidung hätte getroffen werden dürfen.[54]

 

Rz. 76

Wird die Beschwerde unmittelbar beim Ausgangsgericht eingelegt, findet sofort das Abhilfeverfahren statt.

 

Rz. 77

Keine Abhilfeentscheidung findet statt, wenn zwar das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft ist, das Ausgangsgericht jedoch nach § 318 ZPO an seine Entscheidung gebunden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch Urteil entschieden hat, z.B. im Fall der §§ 387 bzw. 99 ZPO.

 

Rz. 78

Erforderlich ist, dass sich das Ausgangsgericht mit der Beschwerde im Rahmen des Abhilfeverfahrens auch tatsächlich auseinandersetzt.[55] Insbesondere wenn eine Entscheidung angefochten und der Beschwerdeführer sich mit den Beschlussgründen ausführlich auseinandersetzt und ergänzende Tatsachen vorträgt, ist es nicht ausreichend, die Nichtabhilfe mit dem einfachen formelhaften Hinweis auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu begründen.[56] Erfolgt dies gleichwohl, so muss das Beschwerdegericht die Sache an das Ausgangsgericht zurückverweisen, damit eine substanzielle Abhilfeentscheidung getroffen wird.[57] Hierauf kann der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers selbstverständlich hinweisen.

 

Rz. 79

 

Hinweis

Das Ausgangsgericht muss in jedem Fall eine Abhilfeprüfung durchführen. Eine Zurückweisung einer Abhilfeentscheidung mit dem Hinweis, dass eine sofortige Beschwerde unstatthaft oder sonst unzulässig sei, ist nicht möglich, da in diesem Fall die Beschwerde in eine ebenfalls zu bescheidende Gegenvorstellung oder aber eine nach § 321a ZPO zu behandelnde Gehörsrüge umzudeuten ist.[58] Ist die sofortige Beschwerde allein deshalb nicht statthaft, weil der Beschwerdewert nach § 567 Abs. 2 ZPO nicht erreicht wird, muss diese nach § 11 Abs. 2 RPflG dem Abteilungsrichter zur Entscheidung vorgelegt werden, wenn ein Rechtspfleger die angefochtene Ausgangsentscheidung erlassen hat.

 

Rz. 80

Erachtet das Ausgangsgericht die Beschwerde für begründet, wird diese nicht dem Beschwerdegericht vorgelegt, sondern das Ausgangsgericht hilft dieser durch Beschluss ab, indem es die angefochtene Entscheidung aufhebt und ggf. entsprechend dem Gesuch des Beschwerdeführers befindet. Damit ist die Beschwerde erledigt.

 

Rz. 81

Möglich ist auch eine teilweise Abhilfe. Dann ist die sofortige Beschwerde allerdings mit dem neuen Inhalt der angefochtenen Entscheidung dem Beschwerdegericht vorzulegen. Dieses hat dann über die noch verbliebene Beschwerde zu entscheiden.

 

Rz. 82

 

Hinweis

Aus der teilweisen Abhilfe der Beschwerde des Beschwerdeführers kann sich nun allerdings eine Beschwer des Beschwerdegegners ergeben, dem damit ebenfalls ein Beschwerderecht bezüglich der neuen Entscheidung nach teilweiser Abhilfe zukommt.

 

Rz. 83

Möglich ist auch, dass das Ausgangsgericht seine Entscheidung im Ergebnis bestätigt, dies allerdings mit neuer Begründung.[59] In diesem Fall wird allerdings dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben sein, vor der Abhilfeentscheidung zu den neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten Stellung zu nehmen. Trägt diese Begründung die Entscheidung, so muss der Beschwerdeführer zur Vermeidung von Kostennachteilen die Beschwerde für erledigt erklären.

 

Rz. 84

Das Ausgangsgericht hat auch dann die sofortige Beschwerd...

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