Rz. 147

Im Gesetzgebungsverfahren war für den Bereich der Pflicht-Haftpflichtversicherungen zunächst vorgesehen, einen allgemeinen unmittelbaren Anspruch des Dritten gegen den Versicherer zu statuieren. Dieses Vorhaben wurde aber dann kurzfristig wieder fallengelassen. Wie bisher auch können Ansprüche gegen den Unfallgegner in der Kfz-Haftpflichtversicherung unmittelbar gegen den Versicherer eingeklagt werden. Das ist in § 215 Abs. 1 Nr. 1 VVG mit Verweis auf das Pflichtversicherungsgesetz noch einmal erwähnt.[327] Zwei Voraussetzungen für einen Direktanspruch sind nun für alle Pflicht-Haftpflichtversicherungen[328] normiert:

zum einen die Insolvenz des Versicherungsnehmers,
zum anderen die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer unbekannten Aufenthalts ist.

Wird über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Dritte wegen des Haftpflichtanspruches abgesonderte Befriedigung verlangen (§ 110 VVG). Der Freistellungsanspruch gegen den Versicherer fällt also nicht in die Masse, sondern steht dem Geschädigten voll zu. Durch den Direktanspruch gegen den Versicherer muss der Dritte jedenfalls bei Pflichtversicherungen jetzt nicht mehr den Umweg über den Insolvenzverwalter machen; das bedeutet eine für alle Seiten vernünftige Erleichterung. Es genügt, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt oder das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgewiesen wurde.

 

Rz. 148

Ist eine Klage gegen den Versicherungsnehmer nur unter Schwierigkeiten möglich, weil dieser untergetaucht oder aus sonstigen Gründen unbekannten Aufenthalts ist, kann der Dritte ebenfalls unmittelbar gegen den Versicherer klagen. Auch das ist sinnvoll, weil andernfalls die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass nach öffentlicher Zustellung der Klage im Haftpflichtprozess (§ 185 ZPO) ein Versäumnisurteil ergeht, der Deckungsanspruch gepfändet wird und dann ohnehin noch einmal die Auseinandersetzung mit dem Versicherer erfolgt. Die Auslegung des § 115 Abs. 1 Nr. 3 VVG sollte sich daher auch an § 185 ZPO orientieren. Am unbekannten Aufenthalt kann es aber schon fehlen, wenn sich ein Anwalt für den Versicherungsnehmer meldet und sich für eine Klage als empfangsbevollmächtigt bezeichnet.[329]

De lege ferenda wäre überlegenswert, auch den Fall des verstorbenen Versicherungsnehmers mit aufzunehmen; für den Dritten ist es recht umständlich, zunächst den oder die Erben des Versicherungsnehmers zu ermitteln, um sie anschließend zu verklagen. Diese können den Prozess im Normalfall in keiner Weise beeinflussen und lassen allein den Versicherer agieren. Daher wäre es auch für die Versicherer sinnvoll, wenn die Klage unmittelbar gegen diese gerichtet werden könnte.

[327] Dass das OLG Frankfurt, 27.4.2018 – 8 W 19/18, VersR 2018, 810, dem Kläger auch noch in zweiter Instanz explizit erklären muss, dass § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht für die Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte gilt, ist schon bemerkenswert.
[328] Der systematischen Stellung und der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass eine Erweiterung auf freiwillig abzuschließende Versicherungen nicht in Betracht kommt: OLG Bremen, 2.8.2011 – 3 AR 6/11, MDR 2011, 1104.
[329] LG Frankfurt, 18.7.2016 – 2–14 O 20/14, n.v.

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