I. Gerichtsstand

 

Rz. 144

Die Bedingungen zum Gerichtsstand in § 10 II AVB sind an § 215 VVG angeglichen. Bei Klagen gegen die Versicherung ist örtlich zuständig das Gericht des Geschäftssitzes des Versicherers nach allgemeinen Regeln (§ 17 ZPO), daneben auch das bei der vertragsführenden Stelle örtlich zuständige Gericht (§ 21 ZPO); durch § 215 VVG neu hinzugekommen ist die Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Versicherungsnehmers. Weggefallen ist der örtliche Gerichtsstand der Agentur gem. § 48 VVG a.F. Gegen den Versicherungsnehmer kann ausschließlich an dessen Wohnsitz (bzw. den aufgeführten Alternativen) geklagt werden.[321] Auf Altverträge, bei denen der Versicherungsfall vor dem 1.1.2009 eingetreten ist, findet § 215 VVG allerdings auch dann nicht Anwendung, wenn die Klage nach dem Stichtag erhoben wurde.[322]

[321] Zu Auslegungsschwierigkeiten, die v.a. noch im zeitlichen Anwendungsbereich bestehen, Wagner, VersR 2009, 1589; OLG Düsseldorf, 18.6.2010 – I-4 U 162/09, VersR 2010, 1354.

II. Klageantrag

 

Rz. 145

Der Klageantrag wird i.d.R. ein Feststellungsantrag sein, gerichtet darauf, dass der Versicherer für das bestimmte Ereignis Deckungsschutz zu gewähren habe. Deckungsschutz beinhaltet sowohl die Freistellung von rechtskräftig festgestellten oder vom Versicherer für begründet gehaltenen Haftpflichtansprüchen als auch den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Abwehr unbegründeter Ansprüche.[323] Ein Zahlungsanspruch kommt erst in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer den Geschädigten befriedigt und sich der Anspruch auf Befreiung oder Abwehr in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat. In Fällen, in denen der Versicherer die Abwehr für unbegründet erachteter Schadensersatzansprüche anbietet, kommt eine Klage auf Freistellung von den Ansprüchen Dritter erst dann in Betracht, wenn das Bestehen des Haftpflichtanspruchs rechtskräftig festgestellt ist.[324]

[323] Vgl. OLG Hamm, 30.5.1995 – 20 W 2/95, NJW-RR 1995, 1431 = r + s 1996, 16.

III. Erstmaliges Berufen auf Obliegenheitsverletzungen im Prozess

 

Rz. 146

Es ist umstritten, ob sich ein auf Leistung in Anspruch genommener Versicherer auch dann noch mit Erfolg im Prozess auf Obliegenheitsverletzungen berufen kann, wenn er diesen Grund der Leistungsfreiheit nicht schon in seinem Ablehnungsbescheid oder jedenfalls sofort zu Beginn des gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht hat.[325] Höchstrichterlich ist diese Frage noch nicht entschieden. Auszugehen ist davon, dass der Versicherer Leistungsfreiheit geltend zu machen berechtigt ist, wenn dazu die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Dieses Recht kann er nicht dadurch verlieren, dass über seine Leistungspflicht ein Prozess geführt wird. Nur wenn die auch sonst heranzuziehenden Gründe eines Rechtsverlusts vorliegen, ist es dem Versicherer verwehrt, sich auf Gründe der Leistungsfreiheit zu berufen, die er erstmals vorbringt. Als ein solcher Grund kommt der Verzicht in Betracht. Dann muss ein zumindest konkludent erklärter Verzichtswille festgestellt werden. Weiter kann Verwirkung eingetreten sein, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund konkreter Umstände nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, der Versicherer werde diesen Grund der Leistungsfreiheit nicht mehr ins Feld führen.[326] Liegen solche festzustellenden Gründe nicht vor, ist der Versicherer nicht gehindert, auch zu einem späteren Zeitpunkt, ggf. auch noch in der zweiten Instanz, neue Gründe für seine Leistungsfreiheit geltend zu machen.

[325] Vgl. OLG Düsseldorf, 4.8.1992 – 4 U 30/92, VersR 1993, 425; OLG Köln, 12.4.1994 – 9 U 17/94, VersR 1994, 1183.
[326] OLG Hamm, 14.7.1993 – 20 U 79/93, r + s 1994, 229.

IV. Direktanspruch des Dritten nach § 115 VVG

 

Rz. 147

Im Gesetzgebungsverfahren war für den Bereich der Pflicht-Haftpflichtversicherungen zunächst vorgesehen, einen allgemeinen unmittelbaren Anspruch des Dritten gegen den Versicherer zu statuieren. Dieses Vorhaben wurde aber dann kurzfristig wieder fallengelassen. Wie bisher auch können Ansprüche gegen den Unfallgegner in der Kfz-Haftpflichtversicherung unmittelbar gegen den Versicherer eingeklagt werden. Das ist in § 215 Abs. 1 Nr. 1 VVG mit Verweis auf das Pflichtversicherungsgesetz noch einmal erwähnt.[327] Zwei Voraussetzungen für einen Direktanspruch sind nun für alle Pflicht-Haftpflichtversicherungen[328] normiert:

zum einen die Insolvenz des Versicherungsnehmers,
zum anderen die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer unbekannten Aufenthalts ist.

Wird über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Dritte wegen des Haftpflichtanspruches abgesonderte Befriedigung verlangen (§ 110 VVG). Der Freistellungsanspruch gegen den Versicherer fällt also nicht in die Masse, sondern steht dem Geschädigten voll zu. Durch den Direktanspruch gegen den Versicherer muss der Dritte jedenfalls bei Pflichtversicherungen jetzt nicht mehr den Umweg über den Insolvenzverwalter machen; das bedeutet eine für alle Seiten vernünftige Erleichterung. Es genü...

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