Rz. 93

Gerade im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge dienen Schenkungen dazu, Vermögensmassen möglichst schon Jahre vor dem Tod des künftigen Übergebers auf seine Nachfolger zu übertragen. Dies bringt es für den Schenker jedoch häufig mit sich, dass er jeden Einfluss auf das Geschenk verliert und keine Möglichkeit mehr hat, auf unvorhergesehene zukünftige Ereignisse zu reagieren. Auch der Gesetzgeber hat dieses Problem gesehen und mit den §§ 528 und 530 BGB Regelungen für die Fälle geschaffen, in denen der Schenker plötzlich verarmt oder sich der Beschenkte in grober Weise als undankbar erweist; in beiden Fällen kann der Schenker das Geschenk zurückverlangen. Es sind allerdings zahllose andere Anlässe denkbar, bei denen der Schenker an einer Rückabwicklung der Schenkung interessiert sein könnte, so z.B. bei vorzeitigem Tod[157] oder Geschäftsunfähigkeit des Beschenkten. Sollen Gesellschaftsanteile geschenkt werden, könnte ein Rückabwicklungsgrund auch darin liegen, dass der Beschenkte die Ausbildung nicht abschließt, die ihn zur Führung des Familienunternehmens befähigt hätte, oder dass er insolvent wird, oder die Zwangsvollstreckung in den (geschenkten) Gesellschaftsanteil droht. Wichtig ist es oft auch, durch die Möglichkeit, die Schenkung rückabwickeln zu können, entsprechenden Druck auf den Beschenkten ausüben zu können, der den Beschenkten anhält, bestimmte Eheverträge (modifizierte Zugewinngemeinschaft)[158] abzuschließen, die im Ergebnis dazu führen, dass im Fall einer Scheidung die Wertsteigerungen[159] des geschenkten Vermögens nicht in die Zugewinnausgleichsrechnung fallen. Die Beispiele ließen sich beliebig fortführen. In allen diesen Fällen bedarf es einer vertraglichen Regelung, denn das Gesetz (§§ 528 ff. BGB) sieht diese Umstände nicht als Rückübertragungsgründe vor.[160]

[157] Hier ist auch zu beachten, dass der Rückfall eines Geschenks von einem verstorbenen Kind zurück an die Eltern gemäß § 13 Nr. 10 ErbStG steuerbefreit ist.
[158] Vgl. hierzu Langenfeld/Milzer, HB Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, Rn 338, 254 ff.
[159] Vgl. § 1374 Abs. 2 BGB: Der Wert des Geschenks selbst fällt ohnehin nicht in die Zugewinnausgleichsberechnung; anderes gilt aber für die Wertsteigerungen.
[160] Siehe auch sehr ausführlich Kamps, ZErb 2002, 174 ff., 212 ff.; Pauli, ZEV 2013, 289 ff.

1. Weiterleitungsklausel und auflösend bedingte Schenkung als ungünstige Gestaltungselemente

 

Rz. 94

Auch wenn es im Einzelfall nicht im Interesse des Schenkers sein mag, das Geschenk zurückzuerhalten, bspw. wenn es ihm um eine Nachfolgeregelung für sein Familienunternehmen geht, aus dem er sich gerade zurückziehen wollte, ist eine Weiterleitungsklausel an einen Dritten oft nicht zu empfehlen. Schon gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer derartigen Weiterleitungsklausel bestehen rechtliche Bedenken.[161] Darüber hinaus bleibt dem Schenker bei Eintritt des Weiterleitungsfalls keine Wahl, dem ursprünglich Beschenkten den Gegenstand eventuell doch zu belassen oder diesen einer völlig anderen Person zuzuwenden. Wird bspw. bestimmt, dass im Falle des Todes des beschenkten Kindes das geschenkte Grundstück an das Geschwisterkind fallen soll, so kann der Schenker im Falle des Todes des beschenkten Kindes die Beteiligung nicht mehr einem Enkelkind zuwenden, wenn er sich zwischenzeitlich mit seinem anderen Kind überworfen haben sollte. Aus steuerlicher Sicht ist noch anzumerken, dass sich bei Eintritt des Weiterleitungsfalls die Steuerklasse nach dem Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Schenker zu dem Begünstigen (siehe zum soeben beschriebenen Beispiel Vater zu Geschwisterkind) und nicht nach dem Verhältnis zwischen dem Zwischenberechtigten und dem Begünstigten bestimmt.[162]

Ungünstig ist im Übrigen auch eine auflösend bedingte Schenkung gemäß § 158 Abs. 2 BGB, weil dem Schenker bei Eintritt der Bedingung keine Wahl bleibt, dem Beschenkten das Geschenk doch zu belassen.[163] Die automatisch eintretende "Auflösung" des Schenkungsvertrags ist mithin als deutlich zu unflexibles Instrument anzusehen.

[161] Vgl. Feick, ZEV 2002, 85, 86; Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Jülicher, ErbStG § 29 Rn 67.
[162] BFH, 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl II 1993, 523; Jülicher, DStR 1998, 1977, 1983; ders., ZEV 2003, 350.
[163] Kamps/Gravenhorst, ErbR 2022, 462, 465.

2. Die Schenkung unter Auflage als mögliche Rückforderungsregelung

 

Rz. 95

Will sich der Schenker die Möglichkeit einer angemessenen Reaktion offenhalten, ist rechtstechnisch zunächst die in § 525 BGB geregelte Schenkung unter Auflage denkbar: Diese gibt dem Schenker bei Nichtvollzug der Auflage die freie Wahlmöglichkeit, ob er das Geschenk zurückverlangen möchte (§ 527 Abs. 1 BGB), vermeidet also die Schwächen der oben dargestellten Lösungen. Dabei ist nicht von Relevanz, ob der Beschenkte als Auflage eine Leistung aus dem Wert des Geschenkes bewirken soll oder ob sich die Auflage auf materielle Leistungen bezieht.[164] Damit ist die Auflage zunächst für viele der o.g. Fälle als Gestaltungsinstrument geeignet. Ungeeignet ist sie allerdings weiterhin, wenn die Rückforderung des Geschenks auch für den Fall des Eintritts von Umständen, die von der P...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge