Rz. 2

Bei der Testamentsvollstreckung in Unternehmen kollidieren grundsätzlich verschiedene Rechtsprinzipien:

die Haftungsgrundsätze des Erbrechts mit den Haftungsgrundsätzen des Handelsrechts
im Bereich der Personengesellschaften die personalistische Bindung mit der Fremdgeschäftsführung durch den Testamentsvollstrecker.

I. Unterschiedliche Haftungsgrundsätze von Erbrecht und Handelsrecht

1. Persönliche und unbeschränkte Haftung im Erbrecht

 

Rz. 3

Gemäß § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe zunächst persönlich und unbeschränkt für Nachlassverbindlichkeiten. Diese umfassen über den Wortlaut des § 1967 Abs. 2 BGB hinaus neben Erblasser- und Erbfallschulden auch die bei der Verwaltung des Nachlasses entstehenden Schulden, die sogenannten "Nachlasserbenschulden". Der Erbe kann seine Haftung jedoch wesentlich beschränken. Neben der Ausschlagung der Erbschaft, die bereits deren Anfall verhindert (§§ 1942, 1953 Abs. 1 BGB), besteht für ihn die Möglichkeit, sich seiner persönlichen Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auch durch Antrag auf Nachlassverwaltung (§§ 1975, 1981 BGB) oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß § 1975 BGB zu entledigen. Gegen Forderungen der Nachlassgläubiger kann er sich im Fall unzureichender Nachlassmittel durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) wehren. Auch eine Mehrheit von Erben kann ihre gesamtschuldnerische und persönliche Haftung durch gemeinschaftliche Beantragung der Nachlassverwaltung (§ 2062 BGB) auf den Nachlass beschränken.

 

Rz. 4

Auch der Testamentsvollstrecker haftet regelmäßig nicht persönlich für die von ihm in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker für den Nachlass eingegangenen Verbindlichkeiten.[4] Damit lässt das erbrechtliche Haftungssystem des BGB grundsätzlich eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass zu.

 

Rz. 5

Einen Angehörigen der Berufsstände der Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwälte zu wählen hat den Vorteil, dass diese von Berufs wegen zum Abschluss einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung verpflichtet sind, so dass Fehler bei der Ausübung der Testamentsvollstreckung darüber abgesichert sind. Dies jedoch nur, wenn die jeweilige Vermögensschadenshaftpflichtversicherung auch die Testamentsvollstreckertätigkeit abdeckt und die Versicherungssumme ausreichend hoch ist. Für den jeweiligen Angehörigen einer der Berufsgruppen empfiehlt es sich, sich bei der Übernahme einer Testamentsvollstreckung schriftlich von der Versicherungsgesellschaft bestätigen zu lassen, ob die Übernahme einer Testamentsvollstreckung versichert ist und ggf. ob für dieses Mandat die Versicherungssumme erhöht werden kann.

 

Formulierungsbeispiel: Anschreiben an die Versicherungsgesellschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte bestätigen Sie mir, dass die Übernahme einer Testamentsvollstreckung durch meine bei Ihrem Unternehmen bestehende Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abgedeckt ist. Darüber hinaus möchte ich Sie bitten, die Deckungssumme für die Übernahme der Testamentsvollstreckung auf das Ableben von (…), Gesellschafter der (…), auf (…) EUR p.a. mit Wirkung zum (…) rückwirkend zu erhöhen.[5]

[4] S. RG, Urt. v. 15.11.1912 – Rep. III 188/12, sowie ausführlich Muscheler, Haftungsordnung, § 8 II. 5. a), 203.
[5] Uricher, Skript Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich, 2015.

2. Möglichkeiten zur Haftungsbegrenzung im Handelsrecht

 

Rz. 6

Das Handels- und Gesellschaftsrecht gesteht dem Erben eines Unternehmens im Erbfall Möglichkeiten zu, seine Haftung für Altverbindlichkeiten zu beschränken, allerdings nur in klar begrenztem Umfang und mit unterschiedlichen Folgen für Einzelunternehmen und Gesellschaften.

Ein Einzelunternehmen ist ein solches, das von einem einzelnen (eingetragenen) Unternehmer geführt wird und das in dessen Eigentum steht. Steuerrechtlich wird zwischen Privat- und Betriebsvermögen unterschieden, so dass der Einzelunternehmer tatsächlich im steuerrechtlichen Sinne über zwei getrennte Vermögensmassen verfügt, wobei Abgrenzungen nicht immer eindeutig sind (z.B. Immobilien, die für private und unternehmerische Zwecke genutzt werden). Im Handelsrecht ergibt sich der Grundsatz der Vererbung aus § 22 Abs. 1 HGB. Bei Fortführung unter der bisherigen Firma (mit oder ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes) haftet der Erbe[6] des Einzelunternehmens nach der Maßgabe des §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 1 HGB persönlich und unbeschränkt für die vom Erblasser stammenden Verbindlichkeiten. Eine Fortführung des Handelsgeschäftes unter Beschränkung der Haftung auf den Nachlass für vom Erblasser stammende Geschäftsverbindlichkeiten ermöglicht § 27 Abs. 2 HGB. Diese Durchbrechung des handelsrechtlichen Grundsatzes der persönlichen und unbeschränkten Haftung ist aber zeitlich klar auf den Fall begrenzt, dass der Geschäftsbetrieb binnen drei Monaten eingestellt wird, § 27 Abs. 2 S. 1 HGB.[7] Ein Haftungsausschluss für Neuverbindlichkeiten ist nicht möglich. Sinn dieser Vorschrift, die eine spezielle, durch erbrechtliche Haftungsbeschränkungen nach §§ 1975 ff. BGB nicht umgehbare Haftungsgrundlage darstellt, ist es, den Erben die genaue Prüfung der oftmals unübersichtlichen wirtschaftlichen Situation des Handelsgeschäftes zu ermöglichen, ...

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