Rz. 19

Vollstreckbare Ausfertigungen benötigen die Anbringung eines Farbdruck- oder Prägesiegels des Gerichts bzw. Notars.[11] Die Frage der Siegelung im digitalen Zeitalter ist in der Praxis relevant, weshalb an dieser Stelle hierauf kurz eingegangen wird.

 

Rz. 20

Am 14.12.2016 hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob es sich bei einem "drucktechnisch" erzeugten Dienstsiegel um ein i.S.v. § 29 Abs. 3 GBO gültiges Siegel handelt und dies verneint.[12] Die BGH-Entscheidung ist – jedoch lediglich bezogen auf § 29 Abs. 3 GBO – zwischenzeitlich überholt, nachdem § 29 Abs. 3 GBO zum 5.5.2017 ein Satz 2 angefügt wurde:[13]

Zitat

Anstelle der Siegelung kann maschinell ein Abdruck des Dienstsiegels eingedruckt oder aufgedruckt werden.

 

Rz. 21

In seinem Beschluss befasste sich der BGH auch mit der Frage, wie das Gerichtssiegel für eine vollstreckbare Ausfertigung auszusehen hat. Gem. § 725 ZPO ist die Vollstreckungsklausel der Ausfertigung des Urteils am Schluss beizufügen, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Insoweit entsprach es bereits vor der BGH-Entscheidung allgemeiner Auffassung,,[14] dass die Verwendung eines Formulars mit einem bereits vorgedruckten bzw. eingedruckten Dienstsiegel diesen Formanforderungen nicht genügt. In seinem Beschluss führt der BGH weiter aus, dass auch ein programmgesteuertes Dienstsiegel nicht den Anforderungen des § 725 ZPO genügt. In der Rechtsprechung[15] werde zu Recht darauf verwiesen, dass die "Beidrückung" des Dienststempels eine besondere Sicherungsmaßnahme darstellt. Einem bloß drucktechnisch erzeugten Behördensiegel komme demgegenüber kein vergleichbarer Beweiswert zu.[16] Ohne eine gem. §§ 724, 725 ZPO erteilte vollstreckbare Ausfertigung darf ein Vollstreckungsorgan grundsätzlich keine Vollstreckungsmaßnahme durchführen. Wird diese dennoch durchgeführt, kann dies zu einer Anfechtung der Vollstreckungshandlung durch den Schuldner führen.

 

Rz. 22

Der Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, auch in der ZPO für die Zwangsvollstreckung eine ähnliche Anpassung wie in § 29 Abs. 3 GBO vorzunehmen, ist jedoch gescheitert,[17] da die Bundesregierung den Vorschlag zur Änderung der §§ 317, 725 ZPO u. § 275 Abs. 4 StPO mit der Begründung ablehnte, dass Bedenken bestehen würden, auf ein Farbdruck- oder Prägesiegel zu verzichten, da zum einen die Vollstreckungsorgane Sicherheit benötigen, dass der Titel "echt" ist, und zum anderen eine Reproduktion mit moderner Bildbearbeitungstechnik erleichtert würde. Schließlich sei "der Gerichtsvollzieher gegenüber dem Schuldner und anderen Beteiligten allein durch den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung legitimiert … (§ 754 Absatz 2 Satz 1 ZPO)."

 

Rz. 23

Etliche Gerichtsentscheidungen haben sich mit der Frage der ordnungsgemäßen Siegelung bisher befassen müssen. So hat das OLG München[18] entschieden, dass ein drucktechnisch erzeugtes Siegel nach landesrechtlichen Bestimmungen (für Bayern: § 8 Abs. 4 BayAVVWpG) zulässig sei und ein Widerspruch zu Bundesgesetzen dann nicht anzunehmen ist, wenn Echtheit und Ordnungsmäßigkeit des Dokuments dem Empfänger bekannt und über jeden Zweifel erhaben sind. Das LG München I wiederum forderte bei Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zumindest ein Farbdrucksiegel, wenn auch das Siegel auf dem Titel selbst ein aufgedrucktes sein kann.[19] Im Hinblick auf die zuvor genannte Auffassung des Gesetzgebers und der Entscheidung des BGH ist die Entscheidung des OLG München im Bereich der Zwangsvollstreckung jedoch u.E. nicht anwendbar.

 

Rz. 24

Das OLG Nürnberg ließ für einen Erbschein ein maschinell erzeugtes Siegel zum Nachweis der Erbfolge beim Handelsregister genügen.[20] Es hielt dabei in seiner Entscheidung fest, dass die Produktion der Urkunde durch maschinell erzeugte Dienstsiegel formal den Anforderungen für Handelsregistereintragungen genügt, äußerte jedoch Zweifel an der Wirksamkeit des Aufdrucks "Bayern Amtsgericht", weil grundsätzlich die siegelführende Behörde mit Sitz zu benennen sei. Ein "Amtsgericht Bayern" als Justizbehörde gibt es schlichtweg nicht. Diese Entscheidung des OLG Nürnberg betrifft jedoch nicht einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel und dürfte somit hier ebenfalls bezogen auf die Bejahung des maschinell erzeugten Siegels nicht zur Anwendung kommen.

 

Rz. 25

 

Hinweis

Anders im Mahnverfahren! Hier reicht die maschinelle Siegelung nach Ansicht des BGH aus:

Zitat

  "1. Zum Anwendungsbereich des § 703 b I ZPO bei der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel."
  2. Der Anwendungsbereich dieser Norm kann eröffnet sein, wenn die Klausel mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, das einen teilweise automatisierten Verfahrensablauf bei dem Mahngericht belegt (Leitsatz 2 von der Redaktion).“[21]
 

Rz. 26

Vollstreckt eine Bußgeldbehörde, wird es wohl auch nicht immer so "eng" gesehen, wie die Entscheidung des LG Kassel zeigt, dass ein aufgedrucktes Dienstsiegel für ausreichend erachtet und ein "händisch eingedrücktes Dienstsiegel...

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