Rz. 720

Gemäß § 4 Abs. 2 MB/KT darf das Krankentagegeld – zusammen mit sonstigen Krankentagegeldern oder Krankengeldern – das auf den Kalendertag umgerechnete, aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen der versicherten Person nicht übersteigen. Dabei ist für die Berechnung des Nettoeinkommens maßgeblich der Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate vor Antragstellung bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sofern der Tarif keinen anderen Zeitraum vorsieht.

 

Rz. 721

Die inzwischen überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur lässt nur eine Anpassung des Krankentagegeldes an das gesunkene Nettoeinkommen mit Wirkung für die Zukunft zu.[478] Dies wird zum einen damit begründet, dass die Krankentagegeldversicherung eine Summenversicherung ist, zum anderen mit § 4 Abs. 4 MB/KT, wonach der Versicherer bei Kenntnis eines geringeren Nettoeinkommens als bei Vertragsschluss das Krankentagegeld mit Wirkung vom Beginn des zweiten Monats nach Kenntnis entsprechend mindern kann, unabhängig davon, ob bereits ein Versicherungsfall eingetreten ist oder nicht. Bis zum Zeitpunkt der Herabsetzung wird die Leistungspflicht im bisherigen Umfang für eine bereits eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht berührt.

Würde man demgegenüber § 4 Abs. 2 MB/KT als Anspruchsbeschränkung ansehen, würde eine solche Deutung unter die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB fallen.[479]

 

Rz. 722

Die Berechnung des Nettoeinkommens, das in § 4 Abs. 2–4 MB/KT eine wesentliche Rolle spielt, ist – wenn in den Tarifbedingungen keine genaue Definition enthalten ist – bei Arbeitnehmern und Selbstständigen unterschiedlich vorzunehmen:

Bei Arbeitnehmern ergibt sich das Nettoeinkommen aus dem Bruttoeinkommen abzüglich Sozialabgaben und Einkommen-/Kirchensteuer.

Bei Selbstständigen ist zum einen eine Beurteilung ihres Nettoeinkommens häufig erst lange Zeit nach Fertigstellung der Einkommensteuererklärung möglich, zum anderen ist eine Orientierung an der Höhe des Steuerbescheides oft deshalb problematisch, weil steuerlich absetzbare Kosten oder Investitionen verdeckte Nettoeinkünfte sein können, und schließlich der Selbstständige häufig durch den Einsatz seiner persönlichen Arbeitskraft zur Deckung der laufenden Betriebsunkosten beiträgt.

Aus diesem Grunde wird in einigen Tarifbedingungen das Nettoeinkommen als ein bestimmter Prozentsatz des Bruttoeinkommens definiert. Das Bruttoeinkommen stellt den Gesamtbetrag der erzielten Einkünfte des Versicherungsnehmers ohne Abzug der Betriebsausgaben dar.[480]

 

Rz. 723

Der BGH hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 6.7.2016[481] hervorgehoben, dass die Verwendung des Begriffes Nettoeinkommen in § 4 Abs. 2 und Abs. 4 MB/KT offen lässt, wie sich ein Nettoeinkommen bei beruflich selbstständigen Versicherungsnehmern zusammensetzt.

Denn der Begriff des Nettoeinkommens wird selbst in einzelnen Rechtsgebieten unterschiedlich verstanden. Ein für alle Rechtsgebiete gleichermaßen geltender Einkommensbegriff oder eine einheitliche Regelung über die maßgeblichen Abzüge zur Ermittlung eines Nettobetrags hat sich nicht gebildet. Insbesondere bildet das steuerrechtlich ermittelte Nettoeinkommen bei beruflich selbstständigen Versicherungsnehmern nicht ohne Weiteres ein geeignetes Orientierungskriterium für die Höhe des tatsächlichen Verdienstausfalls, weil der Selbstständige mit seiner Arbeitskraft auch die laufenden Betriebskosten erwirtschaftet, die nicht dadurch wegfallen, dass er vorübergehend keine Einnahmen erzielt. Ob bei ihm derartige steuerlich absetzbare Kosten oder Investitionen dem "Nettoeinkommen" i.S.v. § 4 MB/KT als verdeckte Nettoeinkünfte zuzurechnen sind oder diese vom Bruttoeinkommen in Abzug zu bringen sind, also das Nettoeinkommen dem betrieblichen Gewinn vermindert um die auf die Einkünfte zu zahlenden Steuern entspricht, war schon länger sowohl in Rechtsprechung als auch Literatur umstritten.

Zudem ist der in § 4 Abs. 2 MB/KT genannte Bemessungszeitpunkt und -zeitraum für die Berechnung des Einkommens vom BGH als ungeeignete Grundlage für ein Herabsetzungsverlangen nach § 4 Abs. 4 MB/KT angesehen worden, wobei der BGH die in der Rechtsprechung geäußerten Bedenken gegen die Transparenz des § 4 Abs. 2 MB/KT nur anführt, aber offen lässt, ob er § 4 Abs. 2 MB/KT selbst für unwirksam hält. Dies mag daran liegen, dass § 4 Abs. 2 MB/KT den Versicherungsnehmer selbst nicht benachteiligt.

 

Rz. 724

Aus dem Umstand, dass es sich bei der Krankentagegeldversicherung um eine Summenversicherung und nicht um eine gemischte Summen- und Schadensversicherung handelt, ist zu schließen, dass das Verletztengeld, das der Versicherungsnehmer von der Berufsgenossenschaft erhält, nicht auf das Krankentagegeld angerechnet wird.[482]

 

Rz. 725

Aus § 4 Abs. 2 MB/KT ist nicht zu entnehmen, dass sich das Krankentagegeld vermindert oder wegfällt, wenn trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit der Arbeitgeber seine Lohnzahlungen fortsetzt. Lediglich dann, wenn die Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlungen länger andauern als beide Vertragspart...

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