Rz. 915

Unter Überarbeit wird das Überschreiten der regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit verstanden. Unter Mehrarbeit versteht man das Überschreiten der gesetzlichen Arbeitszeit (ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 609). Ob und in welchem Umfang Mehrarbeit zulässig ist, bestimmt sich nach dem ArbZG.

 

Rz. 916

Eine Überstundenvergütung wird vom Arbeitgeber nur dann geschuldet, wenn es zu einer rechtsgeschäftlichen, ggf. konkludent getroffenen Vereinbarung über die Leistung von Mehrarbeit gekommen ist. Unter den Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB ist allein die Abrede über die Vergütung entbehrlich (LAG Hamm v. 10.6.1999, LAGE § 612 BGB Nr. 6). Ordnet der Arbeitgeber an, dass Arbeit im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der regelmäßigen Arbeitszeit fortzusetzen ist, liegt darin die Anordnung von Überstunden, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die vorgeschriebenen Ruhepausen nicht gewährt (BAG v. 26.11.1992, AP Nr. 20 zu § 17 BAT; BAG v. 27.2.1992, AP Nr. 5 zu § 3 AZO Kr.). Eine solche Anordnung kann sich auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber die geleistete Überstundenarbeit kennt und sie duldet oder wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die in der regelmäßigen Arbeitszeit nicht erbracht werden kann (BAG v. 20.7.1969, ZTR 1990, 155; BAG v. 4.5.1994, AP Nr. 1 zu § 1 TVG – Tarifverträge Arbeiterwohlfahrt). Überstundenvergütung ist auch dann geschuldet, wenn die angefallenen Überstunden zwar nicht ausdrücklich angeordnet wurden, jedoch als nicht aufschiebbare Tätigkeiten zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (BAG v. 29.1.2003 – 5 AZR 85/02). Selbst wenn ein Tarifvertrag eine schriftliche Anordnung von Überstunden vorsehen würde, schuldet der Arbeitgeber Überstundenvergütung auch dann, wenn er die schriftliche Anordnung unterlassen hat (BAG v. 15.10.1992, AP Nr. 19 zu § 17 BAT; LAG Frankfurt am Main v. 29.10.1992, DB 1994, 382).

 

Rz. 917

Eine Vereinbarung, wonach etwaige Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, ist, sofern die Parteien damit nur die gesetzlich zulässigen Überstunden erfassen wollten, grds. ebenso zulässig wie eine Überstundenvergütung in Form einer gleichbleibenden Pauschale (BAG v. 29.1.2003 – 5 AZR 85/02; BAG v. 29.5.2002, EzA § 611 BGB – Mehrarbeit Nr. 10; LAG Köln v. 5.3.1999, EzBAT § 35 BAT Nr. 12). Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber, dass aus AGB eindeutig hervorgeht, dass mit der vereinbarten Vergütung auch etwa anfallende Mehrarbeit abgegolten ist (BAG v. 16.11.1961 – 5 AZR 483/60, DB 1962, 243). Eine arbeitsvertragliche Regelung, dass Überstunden durch die gezahlte Bruttovergütung abgegolten seien, erfasst nur die i.R.d. § 3 ArbZG liegende zulässige Mehrarbeit, nicht darüber hinausgehende Arbeitsstunden. Eine pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen Der Umfang der Leistungspflicht muss so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des zu leistenden Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. "auf ihn zukommt" und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung max. erbringen muss (BAG v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335). Aufgrund einer unklar formulierten Pauschalisierungsklausel besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht (BAG v. 1.9.2010, EzA BGB 2002, § 307 Nr. 50; BAG v. 17.8.2011, NZA 2011, 1335).

 

Rz. 918

Eine vorformulierte Pauschalierungsabrede, nach der im Bruttomonatsentgelt alle Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und auch Überstunden enthalten sind, kann jedoch gegen § 307 BGB verstoßen, wenn keine Begrenzung nach oben ersichtlich ist und dann auch nicht annähernd der Umfang der zuschlagspflichtigen Arbeitsleistung transparent wird. Eine solche Regelung würde den Arbeitnehmer benachteiligen infolge der dem Arbeitgeber eingeräumten unbegrenzten Möglichkeit eines nachhaltigen Eingriffes in das synallagmatische Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Unklarheiten entstehen daher erst im Zusammenspiel der Pauschalabgeltung mit der Befugnis des Arbeitgebers zur Anordnung von Nachtarbeit oder Überstunden. Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, denn beim Fehlen einer solchen Vereinbarung ist der Arbeitnehmer nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Bei einer Regelung dagegen, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit erhält, Überstunden anzuordnen und dies gleichzeitig einer Pauschalierungsabrede unterworfen wird, erhält der Arbeitgeber die Möglichkeit, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachhaltig einseitig zu verschieben. Diese Schwierigkeiten lassen sich nur dann verhindern, wenn im Arbeitsvertrag zunächst die Anzahl der ...

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