Rz. 883

Der Arbeitsort ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NachwG im schriftlichen Nachweis anzugeben. Der Beschäftigungsort bestimmt sich unter Anwendung des § 269 Abs. 1 BGB. Andererseits ist es für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses typisch, dass der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers, damit in den Betrieb, eingebunden ist. I.d.R. ist also der Ort des Betriebes des Arbeitgebers der Erfüllungsort (BAG v. 13.4.2010, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47). Damit handelt es sich bei der Verpflichtung zur Arbeitsleistung um eine Bringschuld. Ein Tarifvertrag oder ein Einzelarbeitsvertrag kann den Erfüllungsort ebenfalls bestimmen.

 

Rz. 884

Das billige Ermessen bei Ausübung des Direktionsrechtes ist allerdings offen für die Ausstrahlung grundrechtlicher Wertungen. Dabei sind die grundrechtlich geschützten Interessen des Arbeitnehmers aus Art. 12 und Art. 2 Abs. 2 GG und der sich daraus ergebende Schutz vor Gesundheitsschäden im Arbeitsverhältnis mit Art. 12 GG und 14 GG des Arbeitgebers abzuwägen. (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 246). Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG v. 21.7.2009, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; BAG v. 13.4.2010, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 47; BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 631).

 

Rz. 885

Der Arbeitsort ergibt sich demgemäß aus dem Arbeitsvertrag und den konkreten Umständen der Arbeitsleistung. Andererseits kann der Arbeitgeber den Arbeitsort in dem zulässigen Rahmen nach billigem Ermessen durch sein Direktionsrecht festlegen, was dann eine besondere Bedeutung erlangt, wenn dem Arbeitnehmer typischerweise nach der Art der Arbeit kein einziger Ort zur Arbeitsleistung zugewiesen ist. Durch das Direktionsrecht wird auf diese Weise einem im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig bestimmten Arbeitsort eine genaue Stelle innerhalb des Betriebes zugewiesen. Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann in Betracht kommen, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insb. wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG v. 13.4.2010, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 631). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Ortes vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 S. 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll. Der Versetzungsvorbehalt verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (BAG v. 13.4.2010, EzA BGB 2002, § 307 Nr. 47; BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 631).

 

Rz. 886

Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um eine Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631). Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist anzunehmen, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringer wertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG v. 25.8.2010, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49).

 

Rz. 887

Allein daraus, dass ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum auf einer bestimmten Stelle mit bestimmten Aufgaben beschäftigt worden ist, kann noch nicht zu einer Konkretisierung des Arbeitsvertrages im Hinblick auf die Arbeitsbedingung des Arbeitsortes führen (BAG v. 22.5.1985, AP Nr. 6 zu § 1 TVG – Tarifverträge Bundesbahn). Der Arbeitnehmer kann auch nach Treu und Glauben nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen, diese Regelung auch künftig unverändert beizubehalten (BAG v. 7.12.2000 – 6 AZR 444/99, NZA 2001, 780).

 

Rz. 888

Für Arbeitnehmer mit wechselnden Arbe...

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