a) Allgemeines

 

Rz. 356

Zu den besonderen Vergütungselementen, die neben dem laufenden Lohn gezahlt werden können, zählen auch Sonderzahlungen im weiteren Sinne. Unter diesem weiten Oberbegriff kann man Geld- oder Sachleistungen zusammenfassen, die typischerweise einmal jährlich oder anlässlich besonderer Ereignisse wie z.B. eines Firmenjubiläums erbracht werden. So vielfältig die Anlässe für die Leistungsgewährung sein können, so vielfältig sind auch die rechtlichen Grundlagen. Sie reichen vom Tarifvertrag bis hin zur stillschweigenden individualrechtlichen Vereinbarung. Ebenso bunt ist die Palette der verwendeten Begriffe, die noch dazu nicht einheitlich anzutreffen sind. Sie reichen von der Sonderzahlung über Gratifikation, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszahlung, Bonus, Einmalzuwendung, bis hin zum 13. Gehalt. "Gegenklauseln", die den Leistungsbezug rückgängig machen sollen, also insb. Rückzahlungsklauseln für verschiedene Anlässe sowie flexible arbeitsvertragliche Elemente wie der Widerrufsvorbehalt, der Freiwilligkeitsvorbehalt, Teilbefristung, Anrechnungs- und Jeweiligkeitsklauseln sowie Ermessensvorbehalte bereichern die Artenvielfalt der anzutreffenden Klauseln in einem unübersichtlichen Terrain. Letztlich ist es die Rspr. des BAG, die diese Landschaft geprägt hat und bis heute ständig fortentwickelt.

 

Rz. 357

Sonderleistungen werden vom Arbeitgeber regelmäßig mit Rücksicht auf die geleistete Arbeit und/oder für die erbrachte und/oder erwartete Betriebstreue gewährt.

 

Rz. 358

Gratifikationszahlungen werden z.T. auch noch an ehemalige, ausgeschiedene Arbeitnehmer bzw. an Pensionäre gezahlt. In dem Fall basiert die Leistung auf freiwillig übernommener Fürsorge des ehemaligen Arbeitgebers und wird aus Anlass früher geleisteter Dienste erbracht (BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 189/06).

 

Rz. 359

Der wirtschaftliche Zweck einer Gratifikationsleistung kann jedoch – je nach Zielsetzung – verschieden sein. Allein die Bezeichnung der Sonderleistung als Gratifikation, Weihnachtsgeld, 13. Gehalt, Sonderzahlung usw. ist für die Zweckbestimmung nicht ausschlaggebend, allenfalls indiziell (BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 97; BAG v. 21.1.2014 – 9 AZR 134/12). Entscheidend ist letztlich die jeweilige Ausgestaltung der Leistungszusage, insoweit sind die einzelnen Leistungsbedingungen auszulegen (s.u. Rdn 360 ff.). Unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gewährung einer derartigen Sonderleistung hat, ergeben allein die Anspruchsvoraussetzungen (s.u. Rdn 382 ff.). Unter gewissen Umständen kann es zur Kürzung oder auch ganz zum Wegfall des Gratifikationsanspruches kommen (s.u. Rdn 421 ff.). Vielfach werden Gratifikationsleistungen mit Rückzahlungsklauseln verbunden (s.u. Rdn 455 ff.). Schließlich sind bei Gratifikationszahlungen noch einige Besonderheiten zu beachten (s.u. Rdn 472 ff.).

b) Zweck der Leistung

aa) Auslegung der Gratifikationszusage

 

Rz. 360

Der wirtschaftliche Zweck einer Gratifikation kann unterschiedlicher Natur sein. Gratifikationen haben zwar grds. Entgeltcharakter. Der Entgeltzweck kann jedoch unterschiedlich ausgestattet sein. In aller Regel dient die Gratifikation der Anerkennung für geleistete Dienste und verleiht der Verbundenheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Ausdruck. Sie kann eine zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit, Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue und/oder ein Anreiz für zukünftige Betriebstreue sein. Diese Zwecke können einzeln oder gemeinsam der Sonderleistung des Arbeitgebers zugrunde liegen (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, Rn 24; BAG v. 21.1.2014 – 9 AZR 134/12).

 

Rz. 361

Welcher Zweck im Einzelfall mit einer Sonderzahlung verfolgt wird, ist durch Auslegung der konkreten Leistungszusage durch die ArbGe zu ermitteln. Auch im Fall tariflicher Sonderzahlungen ergibt sich der Zweck aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird (BAG v. 21.1.2014 – 9 AZR 134/12).

 

Rz. 362

Je nach Anspruchsgrundlage kommen daher verschiedene Auslegungsprinzipien zur Anwendung. Für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen finden grds. die für Gesetze maßgeblichen Auslegungsregeln Anwendung (st. Rspr., vgl. BAG v. 30.1.2019 – 10 AZR 406/18; BAG v. 12.11.2013 – 1 AZR 475/12). Danach gebührt im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. etwa BAG v. 15.4.2014 – 3 AZR 83/12). Demgegenüber unterliegen arbeitsvertragliche Zusagen der Auslegung von Willenserklärungen nach den §§ 133, 157 BGB i.V.m. der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Für die Prüfung von Formularverträgen gilt dabei allerdings, dass dessen Bestimmungen nach den Regelungen über AGB auszulegen sind. AGB werden von den ArbGen, auch in der Revisionsinstanz, selbstständig nach den Grundsätzen der Auslegung von Normen ausgelegt (BAG v. 14.12.2011 – 4 AZR 26/10). Nach der Rspr. des BAG sind AGB-Klauseln nach ihrem objektiven Inhalt und typisc...

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