a) Unanwendbarkeit des alten AGBG

 

Rz. 703

Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen für AGB wurde erst durch die Vorschriften des BGB durch das SchuModG v. 26.11.2001 aufgenommen. Zuvor wurden Arbeitsverträge nach § 23 Abs. 1 AGBG a.F. ausdrücklich aus dem sachlichen Anwendungsbereich des AGBG ausgenommen. Die Begründung hierfür stellte auf die Entwicklung des Arbeitsrechtes ab. Auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes, so heißt es im RegE, sei der Arbeitnehmer als der schwächere Vertragspartner durch ein dichtes Netz von zwingenden Vorschriften und durch das besondere System der kollektiv-rechtlichen Vereinbarungen schon ausreichend geschützt. Soweit sich darüber hinaus ein weiterer Schutz des Arbeitnehmers vor unangemessenen Bedingungen als erforderlich erweisen sollte, sei dieser durch besondere gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes zu verwirklichen.

 

Rz. 704

Dennoch sah sich die Rspr. durch diese Bereichsausnahme nicht dahin gehend gehindert, jegliche Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen zu unterlassen. Man folgerte dies daraus, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des AGBG den Status Quo im Arbeitsrecht nicht nachteilig verändern wollte (BT-Drucks 7/3919, 14, 41).

b) Inhaltskontrolle durch die Rechtsprechung

 

Rz. 705

Die Rspr. beschränkte den Schutz vor unangemessenen allgemeinen Arbeitsbedingungen nicht auf arbeitsvertragliche Einheitsregelungen, sondern bezog auch Individualvereinbarungen und besonders ausgehandelte Arbeitsverträge in seiner Inhaltskontrolle mit ein (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 28 ff.). Die hierfür verwendeten Kontrollinstrumente waren unterschiedlich (hierzu Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 164 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 149 ff.). Die Kontrollintensität entwickelte sich dabei unterschiedlich. So wurde die Inhaltskontrolle zu einer sog. Billigkeitskontrolle. Diese sollte immer dann eingreifen, wenn kein Gleichgewicht der Vertragspartner einen angemessenen Vertragsinhalt gewährleistete, weil entweder die Vertragsparität gestört war oder eine Vertragspartei aus anderen Gründen allein den Inhalt des Vertragsverhältnisses gestalten konnte (BAG v. 21.12.1970 – 3 AZR 510/69, DB 1971, 727). Des Weiteren wurde ein Rückgriff auf allgemeine Auslegungsgrundsätze zu einer Inhaltskontrolle umfunktioniert (BAG v. 18.11.1988, DB 1989, 781; BAG v. 6.9.1990, NJW 1991, 1002; BAG v. 24.3.1988, DB 1989, 182; BAG v. 22.11.1973, DB 1974, 878; BAG v. 12.8.1959, DB 1959, 1257). Z.B. wurden Ausschlussfristen, also Bestimmungen in einem Arbeitsvertrag, die dazu führen konnten, dass bestehende Ansprüche verfallen können, nach § 138 BGB daraufhin kontrolliert, ob sie für beide Parteien inhaltlich ausgewogen sind und Arbeitnehmerrechte nicht einseitig beschneiden. Unter die vom BAG entwickelten Kontrollinstrumente fiel auch die Rechtsfigur der objektiven Umgehung zwingenden Rechts. Hiermit wurden Gratifikations- oder Prämienrückzahlungsklauseln (BAG v. 12.10.1972 – 5 AZR 227/72, DB 1973, 285; BAG v. 27.7.1972, DB 1972, 2114; BAG v. 6.12.1963, DB 1964, 226; BAG v. 10.5.1962, NJW 1962, 1537) oder aber die mit den Wertungen des KSchG unvereinbare auflösende Bedingung in der Wirksamkeit eingeschränkt (BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, NJW 1985, 1918; BAG v. 9.12.1974, NJW 1975, 1531).

 

Rz. 706

Dies musste die Gefahr von Systemwidersprüchen und Wertungswidersprüchen begründen. Eine analoge Anwendung des AGBG hätte möglicherweise zu mehr Rechtssicherheit geführt und die Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht auf ein sicheres Fundament gestellt. Allenfalls wurden Vorschriften als allgemeine Rechtsgrundsätze analog angewendet (BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, NJW 1985, 1918; BAG v. 9.12.1974, NJW 1975, 1531). Bis kurz vor der Schuldrechtsreform gab es noch Entscheidungen, in denen sich die Rspr. gegen die Anwendbarkeit des AGBG auf den Arbeitsvertrag und das Arbeitsrecht aussprach (BAG v. 13.12.2000, DB 2001, 928; BAG v. 27.2.2002, DB 2002, 1027).

c) Arbeitsvertragsrecht und die Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB

 

Rz. 707

Die Kritik nahm zu, dass das Arbeitsrecht, dabei insb. das Arbeitsvertragsrecht, aus dem Anwendungsbereich des alten AGBG ausgenommen wurde (Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltungen im Arbeitsrecht, 1993, 241 ff.; MünchArbR/Richardi, § 14 Rn 70). Deshalb sei zu prüfen, so der Bundesrat, ob eine Herausnahme des Arbeitsrechtes aus dem Anwendungsbereich des AGBG noch sachgerecht erscheine (BT-Drucks 14/6875, 17 Nr. 50). Die Bundesregierung und der Rechtsausschuss nahmen diesen Gedankengang auf und schufen in § 310 Abs. 4 S. 1 BGB die Möglichkeit, dass Arbeitsverträge, nicht aber Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen dem Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB unterstellt werden sollten. Allerdings sollten bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden. Des Weiteren sollten die Vorschriften über die Einbeziehung der AGB nicht anzuwenden sein, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB.

 

Rz. 708

Im Ausgangspunkt ist dann festzuhalten, dass eine Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen nach der Schuldrechtsref...

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