Rz. 165

Hält die Erbengemeinschaft einen Geschäftsanteil der GmbH zur gesamten Hand, unterliegt dieser, wie der Rest des Nachlasses, der gemeinschaftlichen Verwaltung gem. § 2038 BGB.

 

Rz. 166

Bei der Frage der Stellung der Erben untereinander geht es um die "Geschäftsführung" hinsichtlich dieses gemeinsam verwalteten Anteils, also die Willensbildung innerhalb der Erbengemeinschaft, die gem. § 18 Abs. 1 GmbHG gemeinschaftlich zu artikulieren ist.

Die Willensbildung erfolgt innerhalb von drei Fallgruppen mit unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen.[272]

Maßnahmen, die gemeinschaftlich zu treffen sind (Einstimmigkeit)
Maßnahmen, die die Miterbenmehrheit treffen kann
Maßnahmen, die jeder einzelne Miterbe allein vornehmen darf.
[272] MüKo/Gergen, § 2038, 8.

a) Gemeinschaftlich zu treffende Maßnahmen

 

Rz. 167

Gemeinschaftlich haben die Miterben gem. § 2038 Abs. 1 BGB Maßnahmen im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung zu treffen.[273] Eine gemeinschaftliche Verwaltung erfolgt einstimmig.

Eine außerordentliche Verwaltung liegt gem. § 745 Abs. 3 S. 1 BGB nach inzwischen wohl h.M. und Entscheidung des BGH vom 28.9.2005[274] jedenfalls bei einer wesentlicher Veränderung des gesamten Nachlasses vor. Soweit eine Maßnahme daher weder den gesamten Nachlass noch einen einzelnen Nachlassgegenstand derart betrifft, dass dadurch der Nachlass als Ganzes wesentlich verändert wird, kann keine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung vorliegen.[275]

Die wesentliche Veränderung nur eines einzelnen Nachlassgegenstandes stellt hiernach keine außerordentliche Verwaltung dar und bedarf somit keiner Einstimmigkeit, es sein denn der Nachlassgegenstand stellt (nahezu) den gesamten Nachlass dar.

Trotz der höchstrichterlichen Entscheidung dürfte in Bezug auf Geschäftsanteile, die von der Erbengemeinschaft gehalten werden, die jeweilige Einzelrechtsprechung interessant sein, da eine Abgrenzung oftmals schwierig ist. Folgende Maßnahmen wurden z.B. auf das Vorliegen einer außerordentlichen Verwaltung untersucht:

Befreiung des Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens (Einstimmigkeit)[276]
Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers (Mehrheitsbeschluss).[277]
[273] MüKo/Gergen, § 2038 Rn 23.
[275] MüKo/Gergen, § 2038 Rn 30; Palandt/Weidlich, § 2038 Rn 6; BGH, Urt. v. 28.9.2005 – IV ZR 82/04, NJW 2006, 439, 440.
[276] OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.4.1994 – 15 U 143/93, NJW-RR 1995, 1189, 1190; Anm. Goette zu BGH, Beschl. v. 19.6.1995 – II ZR 112/94, DStR 1995, 1395, 1397 (Nichtzulassung der Revision zum Urteil des OLG Karlsruhe).
[277] OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 9.9.2014 – 14 U 9/14, BeckRS 2015, 01833.

b) Maßnahmen aufgrund Mehrheitsbeschluss

 

Rz. 168

Im Gegensatz zur außerordentlichen Verwaltung kann die ordnungsgemäße Verwaltung gem. §§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB auf Basis von mehrheitlichen Entscheidungen erfolgen.

Eine ordentliche Verwaltung eines Nachlassgegenstandes liegt vor, wenn sie der Beschaffenheit des Gegenstandes und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entspricht.[278] Es handelt sich um die laufende Verwaltung.

 

Beispiele für eine ordnungsgemäße Verwaltung, für die ein Mehrheitsbeschluss der Miterben ausreichend ist:

Instandsetzung eines Nachlassgegenstandes aus Nachlassmitteln[279]
die Anschluss-Verpachtung eines Nachlassgrundstückes[280] oder
die Kapitalanlage bis zur Auseinandersetzung.[281]

In Bezug auf Geschäftsanteile, die von der Erbengemeinschaft gehalten werden, stellt die Verlegung des Sitzes der GmbH laufende und damit ordnungsgemäße, durch Mehrheitsbeschluss zu treffende Verwaltung dar.[282]

[278] Brox/Walker, Rn 492.
[279] BeckOK/Lohmann, BGB, § 2038 Rn 5.
[281] Damrau/Tanck/Rißmann, Erbrecht, § 2038 Rn 15.
[282] OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.4.1994 – 15 U 143/93, NJW-RR 1995, 1189, 1190; Anm. Goette zu BGH, Beschl. v. 19.6.1995 – II ZR 112/94, DStR 1995, 1395, 1397 (Nichtzulassung der Revision zum Urteil des OLG Karlsruhe).

c) Maßnahmen, die ein Miterbe allein treffen darf

 

Rz. 169

Jeder Miterbe darf gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln ohne Mitwirkung der anderen treffen. Es handelt sich um Notverwaltungsmaßnahmen, die ein Handeln unaufschiebbar machen.

Im Rahmen eines zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteils stellt die Möglichkeit zur Anfechtungsklage nur eines der Miterben gegen einen Gesellschafterbeschluss[283] eine solche notwendige Maßregel dar. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob andere Miterben bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist ggf. daran gehindert waren, sich an der Anfechtungsklage zu beteiligen, denn die Notwendigkeit der Maßnahme ergibt sich aus der Eilbedürftigkeit.[284]

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