Rz. 104

Für den Bereich der verkehrsrechtlichen Strafvorschriften sind die Voraussetzungen des Ausschlusses des Versicherungsschutzes in § 4 Abs. 3b S. 1 ARB geregelt. Nach dieser Vorschrift ist bei in Betracht kommenden Vorsatztaten der Versicherungsschutz – gegenüber Absatz 3a – erweitert. Nach dieser Vorschrift besteht bei einem Verstoß gegen verkehrsrechtliche Strafvorschriften nur dann kein Versicherungsschutz, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer die Straftat vorsätzlich begangen hat. Solange eine Verurteilung wegen einer Vorsatztat nicht gegeben ist, besteht also Versicherungsschutz.

 

Rz. 105

Verkehrsrechtliche Vorschriften im Sinne der genannten Vorschrift sind Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort usw.[50] Diese Erweiterung des Versicherungsschutzes im Vergleich zu Straftaten des allgemeinen Strafrechtes bedeutet, dass auch bei Vorsatztat und Einstellung des Verfahrens die Rechtsschutzversicherung Versicherungsschutz zu gewähren hat und der Ausschluss des Versicherungsschutzes bei Vorsatztaten nicht zum Tragen kommt. Bei Einstellung eines Verfahrens z.B. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis oder Unfallflucht ist also durch die Rechtsschutzversicherung Versicherungsschutz zu gewähren. In den Fällen, in denen eine Vorsatztat in Rede steht, ist es für den Verteidiger empfehlenswert, von der Rechtsschutzversicherung angemessene Vorschüsse zu fordern. Sollte bei Verurteilung wegen Vorsatztat der Versicherungsschutz nachträglich entfallen, kann die Rechtsschutzversicherung den gezahlten Vorschuss nicht vom Verteidiger, sondern lediglich vom VN zurückfordern, da nur diesem gegenüber ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch besteht.

 

Rz. 106

In versicherungsrechtlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den vorgenannten Verstößen um Obliegenheitsverletzungen vor dem Versicherungsfall handelt. In diesen Fällen kann der Versicherer gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 3 VVG nur nach ordnungs- und fristgemäßer Kündigung Regress nehmen.

 

Rz. 107

In § 4 Abs. 3b S. 1 ARB ist der Sonderfall der Rauschtat geregelt. Für Rauschtaten (§ 323a StGB) besteht generell kein Versicherungsschutz.

 

Rz. 108

Bei der Verteidigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren spielt die Vorsatzfrage gemäß § 4 Abs. 3a ARB keine Rolle.[51]

 

Rz. 109

Im Übrigen ist festzustellen, dass der Versicherungsschutz für die Verteidigung in Verkehrsstrafverfahren nach § 2 lit. j aa ARB in etwa dem Verkehrsstrafrechtsschutz der früheren Regelung des § 4 Abs. 3b entsprach mit dem praktisch wenig bedeutsamen Unterschied, dass die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines verkehrsrechtlichen Verbrechens nicht mehr unter Versicherungsschutz steht, und dass die Sonderregelung wegen eines im schuldausschließenden Rausch begangenen Verkehrsdeliktes (§ 323a StGB) entfallen ist.[52]

 

Rz. 110

Differenzierter verhalten sich die aktuellen ARB 2016 in Ziffer 2.2.9, die ihrerseits regeln, dass im Falle des Vorwurfs eines vorsätzlichen Verhaltens zunächst kein Versicherungsschutz besteht, allerdings für den Wegfall des Vorsatzes rückwirkender Versicherungsschutz gewährt wird. Letzteres findet ebenso Anwendung, wenn während des Verfahrens nurmehr fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird und also ab diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz anzunehmen ist. Bei dem Vorwurf eines Verbrechens oder eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann, besteht kein Versicherungsschutz – unabhängig von der Berechtigung oder dem Ausgang des Verfahrens.

Auch bei einem verkehrsrechtlichen Vergehen wird dies so gehandhabt, es sei denn, das Gericht stellt rechtskräftig eine Vorsatztat fest, weil dann die Kosten vom Versicherungsnehmer zurückerstattet werden müssen. Es besteht kein Versicherungsschutz, wenn dem Versicherungsnehmer ein Verbrechen vorgeworfen wird

Ob dies sich zukünftig auch auf einen geänderten § 315d StGB entsprechend anwenden lassen wird, muss abgewartet werden.

[50] Vgl. im Einzelnen Harbauer, ARB (94), § 4 Rn 201 ff.
[51] Harbauer, ARB (94), § 4 Rn 176.
[52] Harbauer, ARB (94), § 2 Rn 19.

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