I. Die Bedeutung der Rechtsschutzversicherung im Straßenverkehrsrecht

 

Rz. 1

Es gibt kaum ein Rechtsgebiet, zu dem die Rechtsschutzversicherung eine vergleichbare Bedeutung hat wie zum Bereich des Verkehrsrechtes. Im Bereich des Verkehrsrechtes ist eine Deckung durch die Rechtsschutzversicherung von annähernd 70 % erreicht. Dies bedeutet, dass in Angelegenheiten des Verkehrsrechtes bei zwei von drei Verkehrsrechtsangelegenheiten eine Rechtsschutzversicherung beteiligt ist oder Deckungsschutz gewährt. Dies macht deutlich, welche Bedeutung die Rechtsschutzdeckung gerade für diesen Rechtsbereich hat. Dies zeigt aber auch, wie wichtig es ist für den auf dem Gebiet des Verkehrsrechtes tätigen Anwalt, mit den Rechtschutzbedingungen und speziell den Rechtsschutzbedingungen zum Verkehrsrecht vertraut zu sein. Aus der aktuellen Statistik für 2015 ergibt sich im Bereich der Leistungen folgendes Bild, das die wirtschaftliche Bedeutung gut darstellt:

Quelle: GDV, Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2016, S. 61.

 

Rz. 2

Diverse Streitigkeiten sind in den letzten Jahren ergangen, die das Verhältnis von Rechtsanwalt und Rechtsschutzversicherung sicherlich verändern werden. So hat der EUGH in seiner grundlegenden Entscheidung vom 7.11.2013 – C 442/12 – festgehalten, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344, der die freie Wahl des Vertreters vorsieht, allgemeine Bedeutung hat und ist verbindlich ist. Allerdings schließe bei der Höhe der Versicherungsprämien die unterschiedlichen Modalitäten der Ausübung des Rechts des Versicherten auf freie Wahl seines Vertreters nicht aus, dass in bestimmten Fällen Beschränkungen hinsichtlich der von den Versicherern zu übernehmenden Kosten vorgesehen werden können.

 

Rz. 3

Auch wird die Entscheidung des BGH[1] das Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt nachhaltig verändern. Denn die durch die §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO gewährleistete freie Anwaltswahl steht finanziellen Anreizen eines Versicherers in Bezug auf eine Anwaltsempfehlung (hier: Schadenfreiheitssystem mit variabler Selbstbeteiligung) nicht entgegen, wenn die Entscheidung über die Auswahl des Rechtsanwalts beim Versicherungsnehmer liegt und die Grenze unzulässigen psychischen Drucks nicht überschritten wird. Maßgeblich sei dabei, zu welchem Zeitpunkt und über welchen Zeitraum mit welchem Anreiz der Druck ausgeübt werde. Im entschiedenen Fall lag der Betrag der Selbstbeteiligung bei 150 EUR für den späteren Rechtsschutzversicherungsfall. Die Begründung hierfür geht nach § 5a Abs. 5a) bb) und b) bb) ARB 2009, bei denen die Fiktion der Schadenfreiheit und eines nicht schadenbelasteten Verlaufs daran anknüpfen, dass "ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird". Nach der Vorstellung des BGH leistet der Versicherer primär keine Sachleistung, sondern erstattet lediglich Kosten. Deshalb ist für den Mandanten und den durchschnittlichen Versicherungsnehmer angeblich klar, dass er selbst den Anwalt zu beauftragen hat.

Hier werden die Versicherer nachhaltig den Rechtsanwaltsmarkt beeinflussen, wenn sie nämlich mit bestimmten Kanzleien zusammen arbeiten.

 

Rz. 4

Vielfache Änderungen der ARB in den letzten Jahren – es wird inzwischen nahezu alle zwei Jahre ein neues Werk vom GDV[2] auf den Weg gebracht – machen eine genaue Prüfung der jeweils geltenden Versicherungsgrundlagen des Mandanten erforderlich. Diese sind von Versicherungsunternehmen zu Versicherungsunternehmen unterschiedlich.

Grundlegend verändert wurde der Aufbau der ARB 2012 im Vergleich zu den vorherigen, zuletzt ARB 2010, weil nun eine Dezimaleinteilung vorgenommen wurde neben der Einführung der Frageform: "Was ist nicht versichert?". Auch sollen durch das "Baukastenkonzept" die Bestimmungen dem Kunden ersichtlich sein, die zu seinem individuellen Vertrag gehören. Die 2013 hinzugekommenen Bedingungen für den Fahrer-Rechtsschutz und die Gesamtkombination Privat/Firmen sind ebenfalls nach dem Baukastensystem eingestellt. Die am Rande auftretenden Buchstaben zeigen an, zu welcher Vertragsform die so gekennzeichneten Passagen gehören.[3] Dies wird deutlich am Beispiel des Verkehrsrechtsschutzes für die Private Rechtsschutzversicherung, weil der Verkehrs-Rechtsschutz gesondert versichert werden muss."

 

Rz. 5

In den ARB 2012 heißt es dazu wörtlich:

Zitat

"Im Verkehrs-Rechtsschutz: Im Fahrzeug-Rechtsschutz:"

Versichert sind alle Personen (mitversicherte Personen) in ihrer Eigenschaft als berechtigte Fahrer oder berechtigte Mitfahrer des Kraftfahrzeugs. (Berechtigt ist jede Person, die das Kraftfahrzeug mit Ihrem Einverständnis führt oder nutzt.)

Alle Bestimmungen aus diesem Rechtsschutzvertrag gelten auch für diese mitversicherten Personen.

Wenn eine mitversicherte Person Versicherungsschutz verlangt, können Sie dem widersprechen. (Warum können Sie widersprechen, wenn eine mitversicherte Person Versicherungsschutz verlangt? Sie sind unser Versicherungsnehmer und können zum Beispiel bestimmen, ob wir Kosten für mitversicherte Personen bezahlen sollen.)

Ausnahme: Bei Ihrem ehelichen/einget...

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