Rz. 60

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, auch außerordentlicher Pflichtteil genannt,[83] ist ein vom ordentlichen Pflichtteil unabhängiger Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten. Während sich der ordentliche Pflichtteilsanspruch aus dem zum Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich vorhandenen Nachlass berechnet, wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch aus dem fiktiven Nachlass (lebzeitigen Schenkungen) ermittelt.

 

Rz. 61

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll einen Ausgleich für die zu Lebzeiten des Erblassers getätigten Schenkungen schaffen und so verhindern, dass der Erblasser durch lebzeitige Zuwendungen den Nachlass vermindert und die Rechte der Pflichtteilsberechtigten umgeht. Haben die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament in Form des Berliner Testaments (§ 2269 BGB) errichtet, so ist als Erblasser i.S.v. § 2325 BGB bei Tod des Letztversterbenden immer nur der überlebende Ehegatte anzusehen.[84] Anders als bei den Ausgleichungsvorschriften nach §§ 2050 ff. BGB gilt hier nicht der sogenannte erweiterte Erblasserbegriff. Die Geschenke des vorverstorbenen Ehegatten finden demnach beim Tod des Überlebenden im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs keine Berücksichtigung.

 

Rz. 62

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein selbstständiger Pflichtteilsanspruch,[85] der grundsätzlich auf eine Geldzahlung gerichtet ist. Er steht dem Pflichtteilsberechtigten unabhängig vom ordentlichen Pflichtteil zu, was sich bereits aus der Klarstellung des § 2326 BGB ergibt. Er steht dem Berechtigten auch dann zu, wenn dieser nicht durch eine Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist.[86]

 

Rz. 63

Rechtlich wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch entsprechend dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch behandelt, und zwar hinsichtlich seines Entstehens und seiner Übertragbarkeit.[87] Gleiches gilt auch für die Auskunftspflicht und den Wertermittlungsanspruch,[88] auch wenn dem Miterben gegenüber den anderen Miterben grundsätzlich kein Auskunftsanspruch zusteht.[89]

[83] BGHZ 102, 333.
[84] BGHZ 88, 102.
[85] BGHZ 103, 333.
[87] Vgl. § 2317 BGB.
[88] Palandt/Weidlich, § 2325 Rn 2.
[89] Palandt/Weidlich, § 2314 Rn 3.

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