Rz. 30

Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs kann grundsätzlich nur durch den Pflichtteilsberechtigten selbst erfolgen. Er kann jedoch auch Dritte, wie seinen Rechtsanwalt, mit der Geltendmachung beauftragen. Es handelt sich dabei nicht um eine höchstpersönliche Handlung.

 

Rz. 31

Die Geltendmachung erfolgt grundsätzlich gegenüber dem Erben. Im Falle des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB i.V.m. § 2329 BGB kann sich die Geltendmachung aber auch gegen den Beschenkten richten, soweit dieser tatsächlicher oder vermeintlicher Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist.

 

Rz. 32

Zwischenzeitlich ist die Frage aufgetaucht, ob eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs im erbschaftsteuerlichen Sinne auch dann vorliegt, wenn der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch auf sich übergeleitet hat und anschließend den Pflichtteil gegen den Erben durchzusetzen sucht.[25] Der BFH konnte diese Frage im zu entscheidenden Einzelfall offen lassen, da nicht festgestellt wurde, dass eine entsprechende Überleitung nach § 93 SGB XII stattgefunden hatte. Das Erbschaftsteuerrecht knüpft grundsätzlich an vorgegebene zivilrechtliche Tatbestände an. Soweit der Gesetzgeber dem Pflichtteilsberechtigten selbst die Entscheidung überlassen wollte, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen oder dieses nicht zu tun, so muss auch die Geltendmachung grundsätzlich von einer Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten abhängen. Denn die Ausschlagung und die Geltendmachung des Pflichtteils bzw. der Verzicht auf diesen unterliegen grds. der freien Entscheidung des Berechtigten (Art. 2 Abs. 1 GG). Der Sozialhilfeträger kann diese Rechte nicht auf sich überleiten bzw. sich bei einem Verzicht auf die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB berufen.[26] Soweit allerdings der Gesetzgeber Ausnahmefälle geschaffen hat, in denen Dritte den Pflichtteil entgegen § 852 ZPO ohne Willen des Pflichtteilsberechtigten durchsetzen können, so muss diese vorgegebene zivilrechtliche Entscheidung vom Erbschaftsteuerrecht hingenommen werden. In diesem Ausnahmefall reicht es m.E. daher aus, wenn der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch überleitet und geltend macht. Anderenfalls könnte der Erbe nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG trotz Belastung mit dem Pflichtteilsanspruch diesen erbschaftsteuerlich nicht als Abzugsposten geltend machen. Die Geltendmachung durch den Sozialhilfeträger steht daher der Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten gleich. Dies gilt auch dann, wenn der Betreuer eines Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil für den Pflichtteilsberechtigten geltend machen sollte.

 

Rz. 33

Der bloß interne Beschluss, der noch nicht nach außen Kund getan wurde, reicht nicht. Eine Geltendmachung ist erst in dem Moment anzunehmen, in dem der Entschluss des Steuerpflichtigen nach außen gegenüber dem Erben oder sonst Verpflichteten erklärt wurde.[27]

 

Rz. 34

Bei minderjährigen Kindern handeln für diese die gesetzlichen Vertreter. Geht es um einen Pflichtteilsanspruch nach dem Ableben des einen Elternteils, so ist der länger lebende Elternteil alleinvertretungsberechtigter Träger des Sorgerechts für die Kinder. Dementsprechend ist grundsätzlich auch der überlebende Ehegatte als Alleinerbe dazu befugt, die Entscheidung zu treffen, ob Pflichtteilsansprüche gegen ihn selbst geltend gemacht werden sollen.[28]

[26] BGH v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, ZEV 2011, 258; Zehentmeier, NWB 2011, 2876 und 3696.
[27] Kapp/Ebeling, ErbStG, § 3 Rn 212; also nicht gegenüber dem Finanzamt, Muscheler, ZEV 2001, 377, 379.
[28] So Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 Rn 226; ebenso Palandt/Weidlich, § 2317 Rn 4 unter Verweis auf eine Ausnahme.

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