Rz. 120

Der Prozesskostenhilfeantrag kann auch unmittelbar mit der Berufungseinlegung erfolgen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Berufungseinlegung unter der Bedingung, dass dem Berufungskläger Prozesskostenhilfe bewilligt wird, unzulässig ist; bei missverständlichen Formulierungen ist aber eine Auslegung eröffnet.[184]

 

Rz. 121

Die kombinierte Vorgehensweise setzt eine Kostenbetrachtung voraus und sollte von einer entsprechenden Information der Mandantschaft verbunden werden. Wird die Prozesskostenhilfe wegen der Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels verweigert und die Berufung daraufhin zurückgewiesen oder zurückgenommen, trifft den Berufungskläger die Kostenfolge. Der Berufungskläger muss dann auch die dem Gegner zur Verteidigung gegenüber der Berufung erwachsenen Kosten erstatten. Wird der Gegner demgegenüber im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren gem. § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO gehört, steht ihm bei Versagung der Prozesskostenhilfe gem. § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO kein Kostenerstattungsanspruch zu.

 

Rz. 122

 

Hinweis

Gleichwohl kann die Kombination von Berufungseinlegung und Beantragung von Prozesskostenhilfe in Betracht kommen, wenn zu befürchten steht, dass das Berufungsgericht den Prozesskostenhilfeantrag mangels feststellbarer Bedürftigkeit ablehnen könnte. Hiervon erfasst sind die Fälle, in denen:

es nicht gelingt, innerhalb der Berufungsfrist eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzugeben und die gem. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlichen Unterlagen beizufügen oder
in denen der Anwalt von sich aus Zweifel an der Bedürftigkeit des Berufungsklägers hat, weil dieser z.B. als Unternehmer Jahresabschlüsse mit negativen Einkünften zu den Akten reicht, die negativen Einkünfte aber zu einem großen Anteil auf Sonderabschreibungen beruhen.[185]

Maßgeblich ist aber immer nur die Sicht des Antragstellers. Konnte dieser vernünftigerweise mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnen, kann ihm bei Versagung der Prozesskostenhilfe bei der Bescheidung eines anschließenden Wiedereinsetzungsgesuchs nicht entgegengehalten werden, er habe die Berufungsfrist versäumt.[186]

 

Rz. 123

Legt ein Rechtsanwalt für eine unbemittelte Partei formularmäßig ein Rechtsmittel ein, ohne es zu begründen, hat die Partei aber keinen Prozessbevollmächtigten, der gewillt ist, für sie weiter tätig zu werden, so kann sie noch am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist einen Prozesskostenhilfeantrag stellen. Das Rechtsmittel darf dann nicht mit dem Argument verworfen werden, innerhalb der Begründungsfrist sei keine Begründung eingereicht worden.[187]

 

Rz. 124

 

Hinweis

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt allerdings nur in Betracht, wenn die Mittellosigkeit der betroffenen Partei für die Fristversäumung kausal geworden ist. Rechtsmittelfristen werden nur schuldlos versäumt, wenn eine Partei sich wegen ihrer Mittellosigkeit außerstande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung oder Begründung des Rechtsmittels zu beauftragen. Entscheidend für die Ursächlichkeit der Mittellosigkeit einer Partei für die Versäumung der Frist ist, ob der Rechtsanwalt bereit war, das Rechtsmittel auch ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzulegen und zu begründen. Ist die bedürftige Partei bereits anwaltlich vertreten und legt ihr Rechtsanwalt uneingeschränkt Berufung ein, muss sie glaubhaft machen, dass der Anwalt nicht bereit war, die wirksam eingelegte Berufung im Weiteren ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe ordnungsgemäß und insbesondere fristgemäß zu begründen.[188] Holt die Partei die Verfahrenshandlung nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist, aber vor der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch nach, so ist, solange sich nichts Gegenteiliges ergibt, davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit für die zunächst unterbliebene und sodann verspätet vorgenommene Verfahrenshandlung ursächlich geworden ist. Einer Darlegung der Gründe, weshalb das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Frist unabhängig von der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe begründet werden konnte, bedarf es nicht. Anders verhält es sich, wenn die Begründung noch innerhalb der Frist erfolgt. Dann ist davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit für eine gleichwohl eintretende Fristversäumung nicht kausal geworden ist.[189]

[184] BGH NJW 1995, 2564; BGH NJW 1999, 2823; siehe auch BGH NJOZ 2018, 435.
[185] BGH VersR 1992, 637; BGH NJW 1997, 1078; BGH VersR 2000, 383; BGH NJW-RR 2000, 879.
[188] BGH NJW-RR 2018, 61, 62.
[189] Zum Ganzen BGH NJW-RR 2016, 507, 508.

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