Rz. 134

Ist wirksam Berufung eingelegt worden und entscheidet das Berufungsgericht danach über die Prozesskostenhilfe, beginnt der Lauf der Berufungsbegründungsfrist auch dann nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO, wenn der Berufungskläger wegen Kostenarmut um Prozesskostenhilfe nachgesucht hat und deshalb an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert ist.[203] Es kann gem. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO die einmonatige Fristverlängerung ohne die Einwilligung des Gegners beantragt werden.

 

Rz. 135

 

Hinweis

Erfüllt ein Schriftsatz, mit dem um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht wird, zugleich auch die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung, setzt die Annahme, er sei nicht als unbedingte Berufungsbegründung bestimmt, voraus, dass sich dies aus dem Schriftsatz beziehungsweise seinen Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt.[204]

 

Rz. 136

Ist die Berufungsbegründungsfrist indessen abgelaufen, muss innerhalb einer einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist gem. § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO Wiedereinsetzung beantragt werden, und zwar unter Beifügung der Berufungsbegründung innerhalb dieser Frist gem. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO.[205] Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO behoben wird. Liegt das Hindernis in der Mittellosigkeit der Partei, entfällt es grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, der keiner förmlichen Zustellung bedarf.[206]

 

Rz. 137

Der Berufungskläger muss nicht durch einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dafür sorgen, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht notwendig wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Neuregelung § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO sicherstellen, dass dem Rechtsmittelführer immer mindestens ein Monat für die Rechtsmittelbegründung verbleibt.[207]

 

Rz. 138

 

Hinweis

Trotzdem ist empfehlenswert, die Berufungsbegründungsfrist nach Berufungseinlegung unter Kontrolle zu halten und vor Fristablauf Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu stellen, weil die Wiedereinsetzungsfrist anders als die Berufungsbegründungsfrist nicht verlängerbar ist und das Risiko der Versagung der Wiedereinsetzung besteht, wenn dem Berufungskläger bei Stellung des Antrags auf Prozesskostenhilfe eine fehlende Kostenarmut bekannt war.[208]

[203] BGH NJW 2006, 2857, 2858; Born, NJW 2007, 2088, 2090. Die vor Inkrafttreten des 1. JuMoG vom 24.8.2004 (BGBl I 2004, 2198.) vertretene Auffassung, zur Angleichung der Situation bemittelter und unbemittelter Rechtsmittelführer müsse bei Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist eine verfassungskonforme Auslegung von § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO derart erfolgen, dass der Beginn des Laufes der Berufungsbegründungsfrist an die Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung geknüpft wird (BGH NJW 2003, 3275, 3276 f.; 2003, 3782; 2004, 2902, 2903), wird also nicht mehr vertreten. Grund ist die Neuregelung von § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO, der die Wiedereinsetzungsfrist, innerhalb derer die versäumte Prozesshandlung gem. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO nachgeholt werden muss, auf einen Monat verlängert hat.
[204] BGH NJOZ 2018, 435.
[206] BGH VersR 2006, 1141.
[207] BT-Drucks 15/1508, S. 17.

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