Rz. 9

Eine Besonderheit für das Verbundverfahren ist in § 48 Abs. 3 RVG enthalten. Die Beiordnung des Rechtsanwalts in einer Ehesache (§ 121 FamFG) erstreckt sich auch auf den Abschluss eines Vertrags i.S.d. Nr. 1000 VV (insbesondere einer Folgenvereinbarung), die

den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten,
den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,
die Sorge der Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,
die Regelung des Umgangs mit einem Kind,
die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung,
die Rechtsverhältnisse am Haushalt und
Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht

betrifft.[2]

 

Rz. 10

Wird zu den vorgenannten Gegenständen eine Einigung i.S.d. Nr. 1000 VV getroffen, so braucht hierfür keine gesonderte Verfahrenskostenhilfe beantragt zu werden. Die in der Ehesache bewilligte Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich kraft Gesetzes auch auf die Einigung. Das Gericht kann die Verfahrenskostenhilfe insoweit auch nicht einschränken. Insbesondere kann eine Vereinbarung nicht als mutwillig abgetan werden.[3]

 

Beispiel 6: Vereinbarung über nachehelichen Unterhalt und elterliche Sorge

In der Ehesache ist beiden Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Im Scheidungstermin wird eine Folgenvereinbarung über den nachehelichen Unterhalt und die elterliche Sorge abgeschlossen.

Die in der Ehesache bewilligte Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich auch auf den Abschluss der Einigung über den Unterhalt und die elterliche Sorge. Gleiches gilt für die Beiordnung des Rechtsanwalts.

 

Rz. 11

Da § 48 Abs. 3 Nr. 1 RVG nur "Unterhalt" und nicht "nachehelichen Unterhalt" bezeichnet und auch nur eine "Einigung" und keine "Scheidungsfolgen"-Vereinbarung voraussetzt, werden sämtliche Unterhaltsansprüche erfasst, also auch der Trennungsunterhalt.[4]

 

Beispiel 7: Vereinbarung über Trennungsunterhalt

In der Ehesache ist beiden Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Im Scheidungstermin wird eine Vereinbarung geschlossen, dass zum Ausgleich der aufgelaufenen Forderungen auf Trennungsunterhalt ein bestimmter Betrag gezahlt werde.

Die in der Ehesache bewilligte Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung des Rechtsanwalts erstrecken sich auch auf den Abschluss der Einigung über den Trennungsunterhalt.

 

Beispiel 8: Vereinbarung über Nutzungsentschädigung

Im Verbundverfahren einigen sich die Beteiligten, denen Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, auch über eine Nutzungsentschädigung der Ehewohnung für die Trennungszeit.

Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung kann zwar nicht Folgesache sein; es handelt sich aber um eine Ehewohnungssache (§ 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG), so dass die Erstreckung des § 48 Abs. 3 RVG auch hier greift.

 

Rz. 12

Die Regelung des § 48 Abs. 3 RVG gilt auch für eine Einigung, mit der gemeinsames Vermögen der Ehegatten auseinandergesetzt werden soll, etwa die Übertragung des Miteigentums an einem Grundstück. Zum Teil wird gefordert, dass mit der Auseinandersetzung des gemeinsamen Vermögens auch eine güterrechtliche Vereinbarung einhergehen müsse, etwa dass mit Auseinandersetzung des Eigentums gleichzeitig auch wechselseitige Zugewinnausgleichsansprüche erledigt werden. Danach wäre dann ein gesonderter Verfahrenskostenhilfeantrag erforderlich, dem aber grundsätzlich stattzugeben wäre.[5] Nach anderer Auffassung ist dies nicht notwendig. Der Begriff des "Güterrechts" i.S.d. § 48 Abs. 3 RVG sei danach weit zu fassen und deckt auch die Auseinandersetzung des gemeinsamen ehelichen Vermögens.[6]

Ein solcher Folgenvergleich ist keinesfalls mutwillig i.S.d. § 114 ZPO.[7]

 

Beispiel 9: Vereinbarung über Vermögensauseinandersetzung und Zugewinn

Die Beteiligten, denen für die Ehesache Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, vergleichen sich, dass die Ehefrau zum Ausgleich des Zugewinns ihren 1/2-Anteil am gemeinsamen Hausgrundstück auf den Ehemann überträgt und er die bestehenden Hausverbindlichkeiten übernimmt und die Ehefrau davon freistellt.

Es liegt eine Einigung über Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht vor, so dass sich die Wirkung des § 48 Abs. 3 RVG darauf erstreckt.

 

Rz. 13

Soweit sonstige Gegenstände außerhalb des Katalogs des § 48 Abs. 3 RVG mit in eine Einigung einbezogen werden sollen, gilt § 48 Abs. 3 RVG nicht. Es bedarf einer ausdrücklichen Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss der Einigung.[8]

 

Beispiel 10: Vereinbarung über Steuerrückerstattung

Im Verbundverfahren einigen sich die Beteiligten, denen Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, über die Verteilung der letzten Steuerrückerstattung.

Die Auseinandersetzung über Ausgleichsansprüche anlässlich der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung fällt nicht unter § 48 Abs. 3 RVG, so dass für den Abschluss des Vergleichs gesondert Verfahrenskostenhilfe beantragt werden muss.

 

Beispiel 11: Vereinbarung über Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft der Scheidung

Im Verbundverfahren einigen sich die Beteiligten, denen Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, über die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für ...

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