Rz. 75
Die Rechtslage zur Befristung von Arbeitsverträgen mit älteren Arbeitnehmern hat in den vergangenen Jahren eine wiederholte Änderung erfahren.
Rz. 76
Der EuGH hat mit Urt. v. 22.11.2005 entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG der Regelung in § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG a.F. entgegenstehen. Eine Regelung, die das Alter des betroffenen Arbeitnehmers als einziges Kriterium für die Befristung des Arbeitsvertrages festlegt, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die Festlegung der Altersgrenze als solche – unabhängig von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen – zur Erreichung des Zieles der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer objektiv erforderlich ist, geht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist. Eine große, ausschließlich nach dem Lebensalter definierte Gruppe von Arbeitnehmern laufe in Anwendung einer solchen Regelung während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens Gefahr, von festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein.
Der EuGH hat weiter ausgesprochen, dass es den nationalen Gerichten obliege, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbots der Diskriminierung wegen Alters zu gewährleisten, indem sie jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lassen, auch wenn die Frist für die Umsetzung noch nicht abgelaufen ist. Damit soll die Richtlinie nach Auffassung des EuGH unabhängig von der Umsetzung auch zwischen Privaten unmittelbar gelten. Dies folgt nach Ansicht des EuGH daraus, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nicht in der Richtlinie 2000/78 selbst verankert ist. Das Verbot der Diskriminierung wegen Alters stelle vielmehr einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar. Damit sind allein auf § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG a.F. gestützte sachgrundlose Befristungen unwirksam. Das BAG hat mittlerweile entschieden, dass kein Vertrauensschutz für Arbeitgeber gegeben ist. Dies folgt nach Ansicht des BAG daraus, dass der EuGH den Ausspruch über die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG a.F. zeitlich nicht begrenzt hat und zudem Arbeitgeber nicht auf die Wirksamkeit der Norm vertrauen durften, da die Vereinbarkeit der Norm mit Gemeinschaftsrecht von Anfang an im arbeitsrechtlichen Schrifttum in Zweifel gezogen worden war.
Rz. 77
Da sich der EuGH in der Entscheidung vom 22.11.2005 explizit nur zu einem Verstoß des § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG a.F. (Altersgrenze 52 Jahre) gegen die Richtlinie 2000/78/EG geäußert hatte, hat das BAG mit Beschl. v. 16.10.2008 dem EuGH sodann die Frage vorgelegt, ob vor dem 1.5.2007 vereinbarte Befristungen auch wegen Verstoßes des § 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG a.F. gegen die Richtlinie 2000/78/EG gemeinschaftsrechtswidrig sein können.
Nach § 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG a.F. bedurfte die Befristung eines Arbeitsvertrags keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung war nur dann nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang bestand. Nach der Auffassung des EuGH führte die Regelung des § 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG a.F. dazu, dass das soziale Schutzniveau älterer Arbeitnehmer gesenkt wurde. Der EuGH hat daher eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals "enger sachlicher Zusammenhang zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber" (vgl. § 14 Abs. 3 TzBfG a.F.) gefordert. Dieses Merkmal sei auch in Fällen anzunehmen, in denen zwischen dem befristeten letzten und dem früheren unbefristeten Vertrag ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, sofern während dieser gesamten Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis für dieselbe Tätigkeit und mit demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt wurde. Aufgrund der mittlerweile erfolgten Gesetzesänderung ist das Urteil des EuGH jedenfalls für den Abschluss neuer (befristeter) Verträge jedoch von eher geringer Relevanz.
Rz. 78
Nach Ansicht des BAG ist § 14 Abs. 3 TzBfG sowohl europarechts- als auch grundgesetzkonform, sofern es um die erstmalige Anwendung der darin enthaltenden Regelungen zwischen denselben Vertragsparteien geht. Voraussetzung einer Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG ist zunächst die Vollendung des 52. Lebensjahres. Entscheidend dafür ist nach dem Gesetzeswortlaut der Beginn des Arbeitsverhältnisses, nicht etwa der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
Außerdem muss ein beschäftigungspolitisches Erfordernis gegeben sein. Der Gesetzeszweck zielt darauf ab, die Einstellung älterer Arbeitnehmer nicht lediglich aufgrund des fortgeschrittenen Alters zu privilegieren. Das Gesetz fordert darüber hinaus einen konkreten beschäftigungspolitischen Anlass, der einen älteren Arbeitnehmer nach mindestens viermonatiger Un...