Rz. 272

Die Rechtslage im vorläufigen Rechtsschutz bei Abberufung eines Geschäftsführers in der GmbH ist komplex. Grundsätzlich setzt die Abberufung des Geschäftsführers gem. §§ 46 Nr. 5, 47 Abs. 1 GmbHG einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraus.

 

Rz. 273

Ohne einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung oder vor einer solchen Gesellschafterversammlung kann die Gesellschaft dem Geschäftsführer ein vorläufiges Tätigkeitsverbot im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nur auferlegen, solange die entsprechende Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung nicht möglich ist. Meist wird allerdings nach der Satzung eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren möglich sein.

 

Rz. 274

Ob der Geschäftsführer im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes einen Abberufungsbeschluss verhindern kann, hängt von seiner Stellung in Bezug auf die Gesellschaft ab. Ein Fremdgeschäftsführer kann stets ohne wichtigen Grund bzw. ohne sachlichen Grund jederzeit abberufen werden. Er kann deshalb auch im Vorfeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Abberufungsbeschluss nicht verhindern.[411] Diese Möglichkeit hat lediglich der mehrheitlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer und derjenige Geschäftsführer, dessen freie Abberufbarkeit durch Gesellschaftssatzung eingeschränkt ist, § 38 Abs. 2 GmbHG. Das kann der Fall sein, wenn dem Geschäftsführer ein Sonderrecht auf Geschäftsführung zugestanden wird oder wenn der Widerruf auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Geschäftsführers in der Satzung beschränkt ist.[412] Auch dann ist präventiver Rechtsschutz gegen den Abberufungsbeschluss nur möglich, wenn das Abwarten des Beschlusses für den Geschäftsführer schwere irreparable Schäden bedeuten würde.[413]

 

Rz. 275

Ist in der Gesellschaft ein Abberufungsbeschluss gefasst worden, richten sich die Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes nach den Beschlussfolgen. Ein nichtiger Abberufungsbeschluss hat keine Rechtswirkung. Infolgedessen kann die Gesellschafterversammlung ihm auch nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zur Wirksamkeit verhelfen. Der Geschäftsführer muss deshalb nicht aktiv werden. Ihm muss jedoch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Möglichkeit eingeräumt werden, ihn in seiner Amtsausübung einschränkende Maßnahmen der Gesellschafter oder anderer Geschäftsführer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeit untersagen zu lassen.[414]

 

Rz. 276

Ist der Abberufungsbeschluss hingegen lediglich anfechtbar, so ist zu unterscheiden:

Herrscht Streit über das Vorliegen des wichtigen Grundes, und hat der Versammlungsleiter die Abberufung formell festgestellt, ist der Abberufungsbeschluss nach Auffassung des BGH vorläufig wirksam. Der Geschäftsführer muss dann im vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abberufung vorgehen. Hat der Versammlungsleiter die Abberufung nicht formell festgestellt, fehlt die vorläufige Wirksamkeit. Der Geschäftsführer darf weiter amtieren. Es ist dann Aufgabe der Gesellschaft, den Geschäftsführer vorläufig zu suspendieren.[415]

Wird ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem satzungsmäßigen Sonderrecht auf Geschäftsführung durch Beschluss abberufen, ist der Beschluss – unabhängig von der Feststellung durch den Versammlungsleiter – nicht schon mit der Beschlussfassung vorläufig wirksam.[416] Die Gesellschaft muss dann um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen.

Wird ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer Zwei-Personen-GmbH von seinem Geschäftsführeramt abberufen, ist dieser Beschluss nicht vorläufig wirksam. Sowohl die Gesellschaft als auch der abberufene Gesellschafter-Geschäftsführer können zur Klärung jeweils um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen und eine Regelungsverfügung beantragen. Üblicherweise berufen sich in der Zwei-Personen-GmbH beide Gesellschafter-Geschäftsführer gegenseitig als Geschäftsführer ab. Dann können auch beide Gesellschafter-Geschäftsführer gegen ihre Abberufung Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung beantragen. Beide Verfahren sollten gem. § 147 ZPO verbunden werden. Ausnahmsweise kann in einem bereits anhängigen Verfügungsverfahren der Antragsgegner einen Gegenantrag mit dem Ziel der vorläufigen Abberufung des Antragstellers von seinem Geschäftsführeramt stellen.[417]

[411] OLG Hamm GmbHR 2002, 237.
[412] David/Dombek/u.a./David, B Teil 8, § 7 Rn 50 ff.
[413] Vgl. dazu Heidinger/Leible/Schmidt/Terlau, § 38 Rn 79.
[414] Heidinger/Leible/Schmidt/Terlau, § 38 Rn 78.
[415] Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 38 Rn 39 ff.
[416] MüKo-GmbHG/Stephan/Tieves, § 38 Rn 153; vgl. weiter David/Dombek/u.a./David, B Teil 8, § 7 Rn 66 ff.
[417] David/Dombek/u.a./David, B Teil 8, § 7 Rn 69; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.2.1999 – 19 U 226/98, S. 3 des amtl. Umdr. n.v.

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