Rz. 597

Gem. § 6 Abs. 3 AGG fallen auch Vorstände entsprechend unter den Anwendungs-/Schutzbereich des AGG, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft.

 

Rz. 598

Ob diese beschränkte Anwendung des AGG – lediglich auf den Zugang und den Aufstieg – europarechtskonform ist, muss nach der Danosa-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 = DB 2011, 2270) für den Fall einer Trennung bezweifelt werden (ebenso Bauer/von Medem, NZA 2014, 238 ff., 239; Bauer, GWR 2010, 586). Denn im EUGH-Fall Danosa ging es um eine Trennung. Frau Danosa war aufgrund ihrer Schwangerschaft als (Geschäftsführungs-) Organ (unwirksam) abberufen worden. In der Tendenz ist davon auszugehen, dass aufgrund dieser EuGH-Rspr. das AGG umfassend auch für Vorstände Anwendung finden könnte. Von besonderer Bedeutung sind bei Trennungen oder Nichtverlängerungen/Neuabschlüssen Altersgrenzen, die vermehrt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind (Altersdiskriminierung). Die Nichtberücksichtigung wegen Alters (62 Jahre) in einem neuen Auswahlverfahren nach Auslaufen eines Fünf-Jahresvertrags kann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG führen (vgl. BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797 = DB 2012, 1499 medizinischer Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln; kritisch zu Altersgrenzen bei Organmitgliedern, Thüsing, NZG 2011, 641). Die neuere Entwicklung bestätigt die bereits in der Vorauflage beschriebene Tendenz. Denn nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH ist der Fremdgeschäftsführer als Organ der GmbH bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer i.S.v. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris). Damit war im Entscheidungsfall die Kündigung letztlich unwirksam wegen Altersdiskriminierung.

 

Hinweis

Dies bedeutet, dass sowohl bei dem

"Ob" der Vorstandsbestellung als auch bei dem
"Wie lange" der Vorstandsbestellung als auch bei der
"Nichtverlängerung" der Vorstandsbestellung (Wiederbestellung) als auch bei dem
"Widerruf" der Vorstandsbestellung/Trennungsgrund

das Verbot der Altersdiskriminierung zu berücksichtigen ist.

 

Rz. 599

Eine nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellenbeschreibung stellt jedenfalls einen Verstoß gegen § 11, § 7 Abs. 1 AGG dar, der zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG führt (vgl. OLG Karlsruhe v. 13.9.2011 – 17 U 99/10, GmbHR 2011, 1147). Dabei kommt regelmäßig in diesen Fällen dem klagenden Vorstand/Kandidaten die Beweiserleichterung nach § 22 AGG zugute.

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