Rz. 162

Nach der Rspr. des EuGH ist für die Zwecke der Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EWG die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser ggü. Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 = DB 2011, 2270 Dita Danosa ./. LKB Lzings SIA). In dem Rechtsstreit ging es um den Beschluss der Gesellschafterversammlung dieser GmbH, Frau Danosa während ihrer Schwangerschaft von ihren Aufgaben als Geschäftsführerin abzuberufen. Frau Danosa war Alleingeschäftsführerin dieser lettischen Gesellschaft. Für die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. Unionsrechts sei es ohne Bedeutung, dass das Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui generis sei (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 = DB 2011, 2270 Dita Danosa ./. LKB Lzings SIA, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH). Dass die Danosa-Entscheidung des EuGH kein Einzel- oder Ausnahmefall ist, zeigt die konsequente Weiterführung in der Balkya-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH v. 9.7.2015 – C-229/14 Balkya). Der EuGH wies zudem in einer weiteren Geschäftsführer-Entscheidung darauf hin, dass selbst die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Unternehmen den unionsrechtlichen Arbeitnehmerstatus nicht beseitige, sofern diese einen nur unerheblichen Einfluss auf die Willensbildung des den Geschäftsführer kontrollierenden Organs begründe. Damit unterfallen erwartungsgemäß auch Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH v. 10.9.2015 – Rs. C-47/14 Holtermann, mit ausführlichen Anmerkungen von Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2017, 449; Oberthür, RdA 2018, 286). Insgesamt bedeuten die EuGH-Entscheidungen zu GmbH-Geschäftsführern und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer eine erhebliche Weichenstellung zum unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (ebenso Bauer, GWR 2010, 586; vgl. ferner Reiserer, DB 2011, 2262; Oberthür, NZA 2011, 253; Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178). Bleibt der EuGH bei dieser Linie, dürfte dies zu einer Neubewertung des deutschen Rechtsverständnisses führen.

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