Rz. 116

In § 308 BGB werden Tatbestände aufgeführt, die – vorbehaltlich einer entsprechenden Wertung – zur Unwirksamkeit einer AGB-Klausel führen können. Dabei stellt die in § 308 BGB eröffnete Wertungsmöglichkeit den Hauptanwendungsbereich für die "Besonderheiten des Arbeitsrechtes" gem. der Bereichseinschränkung, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, dar.

Von den Tatbeständen des § 308 BGB sind für das Arbeitsrecht folgende von besonderer Bedeutung:

 

Rz. 117

Rücktrittsvorbehalt gem. § 308 Nr. 3 BGB

Der in einem Vertrag enthaltene Vorbehalt, sich ohne sachlichen Grund von der Leistungspflicht zu lösen, ist unwirksam. Verpflichtet sich ein Arbeitgeber in einem schriftlichen Arbeitsvertrag zur Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, behält er sich aber die endgültige Entscheidung über die Einstellung vor, unterliegt eine solche Klausel der Inhaltskontrolle. In diesem Fall muss in dem Vorbehalt der Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angegeben sein und ein sachlich gerechtfertigter Grund für seine Aufnahme in die Vereinbarung bestehen. Die Befreiungs- bzw. Rücktrittsgründe müssen so angegeben sein, dass der Durchschnittsarbeitnehmer ohne Schwierigkeiten feststellen kann, wann sich die andere Seite vom Vertrag lösen darf (BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539–542; Grüneberg/Heinrichs, BGB, 82. Aufl., § 308 Rn 17). § 308 Nr. 3 BGB ist damit letztlich ein besonders geregelter Unterfall des Bestimmtheitsgrundsatzes, der im Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) seinen Ausdruck gefunden hat. Wird der Grund für die Lösungsmöglichkeit im Vertrag nicht oder nicht hinreichend konkret angegeben, ist die Klausel unwirksam und dem Verwender die Berufung auf die angegebene Lösungsmöglichkeit versagt. Einer wertenden Betrachtung bedarf es in diesem Fall nicht mehr. Unklarheiten und Zweifel bei der Auslegung von AGB gehen zulasten des Verwenders, bei dem es liegt, für eine eindeutige Fassung der von ihm verwendeten Bestimmungen zu sorgen.

 

Rz. 118

Änderungsvorbehalt gem. § 308 Br. 4 BGB

§ 308 Nr. 4 BGB stellt die Wirksamkeit einseitiger Änderungsvorbehalte unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit für den anderen Vertragsteil. Erfasst werden solche arbeitsvertraglichen Bestimmungen, durch die sich der Arbeitgeber die Änderungen der von ihm versprochenen Leistungen vorbehält. Betroffen sind daher namentlich solche Klauseln, die dem Arbeitgeber die Herabsetzung oder Streichung von Lohnbestandteilen, die Änderung der Arbeitszeit oder den Widerruf einer zugesagten Leistung gestatten sollen (vgl. zur Zumutbarkeit BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16). Betroffen sind auch Klauseln, die das Direktionsrecht des Arbeitgebers erweitern. Die Vorschrift ist nach Ansicht des BAG aber nicht auf Versetzungsklauseln anzuwenden, da sie nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasse. Versetzungsklauseln in Arbeitsverträgen betreffen demgegenüber die Arbeitsleistung als die dem Verwender geschuldete Arbeitsleistung (BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149, 1152).

 

Rz. 119

Eine formularmäßige im Arbeitsvertrag verwendete Klausel, mit der sich der Arbeitgeber den jederzeitigen unbeschränkten Widerruf jeglicher übertariflicher Lohnbestandteile vorbehält, ist unwirksam (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467).

Ob es durch die Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB auf Arbeitsverträge zu einer Änderung der bisherigen Praxis kommen wird, erscheint zweifelhaft, denn die Ausnutzung vertraglich eingeräumter Änderungsvorbehalte durch den Arbeitgeber war schon bislang nur in den Grenzen billigen Ermessens möglich, wobei die Rspr. des BAG darauf abstellte, ob durch den Vorbehalt kündigungsrechtliche Vorschriften umgangen werden.

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