Rz. 704

Die Veräußerung der AG, der Abschluss eines Beherrschungsvertrages, die Verschmelzung der AG, der Formwechsel (z.B. in eine GmbH oder von einer GmbH in eine AG) oder die Aufspaltung haben z.T. rechtliche, zumindest aber regelmäßig tatsächliche Auswirkungen für das Vorstandsmitglied.

 

Rz. 705

Bei der Unternehmensveräußerung oder einem Wechsel des Mehrheitsaktionärs bleibt die Organstellung des Vorstandsmitgliedes unverändert bestehen. Dies gilt immer, wenn durch die Veräußerung der Fortbestand und die Rechtsform der AG nicht verändert werden. Auch der bei einer wesentlichen Veränderung der Aktionärsstruktur nicht selten vorkommende Fall des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages gem. §§ 291 ff. AktG lässt den Bestand der Organstellung des Vorstandsmitgliedes unberührt (vgl. Röder/Lingemann, DB 1993, 1341, 1342). Die veränderte Situation als solche beinhaltet auch keinen wichtigen Grund für den Aufsichtsrat, die Bestellung des Vorstandsmitgliedes zu widerrufen. Es müssen weitere, sehr gewichtige Umstände hinzutreten, die die Fortsetzung der Tätigkeit des Vorstandsmitgliedes für die AG unzumutbar machen. Dies ist bspw. denkbar, wenn das Vorstandsmitglied die im Ergebnis erfolgreiche "feindliche" Übernahme (sog. unfriendly takeover) nach Kräften zu verhindern gesucht hat und berechtigte Zweifel an der Loyalität ggü. dem neuen Inhaber bestehen. Im Einzelfall kann dem betroffenen Vorstandsmitglied bei einer vertragswidrigen Einschränkung seiner Kompetenzen ein Recht zur Amtsniederlegung zustehen (vgl. zur Einschränkung der Kompetenzen beim GmbH-GF, BGH v. 6.3.2012 – II ZR 76/11, NJW 2012, 1656 = DB 2012, 973).

 

Rz. 706

Der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitgliedes bleibt im Fall der Unternehmensveräußerung wie die Organstellung unverändert bestehen. Insb. kann vonseiten der AG das Anstellungsverhältnis grds. nicht durch eine außerordentliche Kündigung beendet werden. Die gesellschaftsrechtliche Veränderung beinhaltet kein Recht zur außerordentlichen Kündigung, da die Situationsveränderung im Risikobereich der AG und nicht der des Vorstandsmitgliedes liegt. Dem Vorstandsmitglied kann jedoch seinerseits ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages zustehen, wenn die Übernahme zu einer wesentlichen Einschränkung seiner Befugnisse führt (vgl. BGH v. 6.3.2012 – II ZR 76/11, NJW 2012, 1656 = DB 2012, 973). Die entgehenden Bezüge kann das Vorstandsmitglied ggf. gem. § 628 Abs. 2 BGB als Schadensersatz von der AG verlangen (vgl. BGH v. 9.2.1978, DB 1978, 878 = NJW 1978, 1435 für einen GmbH-Geschäftsführer, der sein Amt aufgrund vertragswidrigen Verhaltens der Gesellschafter zulässigerweise niedergelegt hatte). Eine ausdrückliche Entscheidung, die sich mit dem Schadensersatzanspruch eines Vorstandsmitgliedes gem. § 628 Abs. 2 BGB in diesem Fall auseinandersetzt, ist jedoch nicht ersichtlich. Insofern besteht für beide Parteien ein gleichermaßenes Risiko, welches zu berücksichtigen ist. Im Regelfall streben die Parteien eine einverständliche Einigung an. In jedem Fall ist die Höhe des Schadensersatzes auf die Zeit bis zum normalen Beendigungszeitraum (normalerweise bis zum Ablauf der Fünf-Jahres-Frist) begrenzt, zum anderen ist die Schadensminderungspflicht des § 254 BGB zu berücksichtigen (vgl. Röder/Lingemann, DB 1993, 1341, 1348).

 

Rz. 707

Günstiger sieht die Situation für das Vorstandsmitglied aus, wenn im Vorstandsvertrag eine change of control-Klausel (z.T. auch change in control-Klausel genannt, um auch den Fall einer erstmaligen Kontrollbegründung einer bis dahin unabhängigen Gesellschaft zu erfassen, vgl. Bauer/Krieger/Arnold, Aufhebungsverträge, Teil D Rn 931 ff.; Kort, AG 2006, 106) vereinbart wurde. Es handelt sich um eine Absicherung des Vorstandsmitglieds für den Fall eines etwaigen späteren Kontrollwechsels. Die Modelle stammen ursprünglich aus den USA. In Deutschland wurden viele Vorstandsverträge nach dem Mannesmann-Urteil (vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, DB 2006, 323 = AG 2006, 110) insoweit nachgebessert‘ (vgl. zu sog. Anerkennungs- und Abfindungszahlungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder, Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97; s. ferner unten Rdn 727 in § 2 des Mustervertrags).

 

Rz. 708

 

Hinweis (zur Bedeutung von change of control-Klauseln)

Seitdem auch in Deutschland große Übernahmen verstärkt vorkommen, ist ein Vorstandsmitglied gut beraten, auf die Aufnahme einer change of control-Klausel in seinem Vorstandsvertrag zu achten.

 

Rz. 709

Zu verhandeln ist, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen der Entschädigungsanspruch des Vorstandsmitgliedes entstehen soll und wie hoch die Entschädigung dann ist. Dabei gibt es unterschiedlichste Varianten. Eine sog. Single-Trigger-Klausel liegt vor, wenn die einzige Voraussetzung der Wechsel der Unternehmenskontrolle ist. Wann das gegeben ist, wird in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Bandbreite in Vorstandsverträgen zeigt ein Bild von Werten zwischen 25–51 %. Anhaltspunkt ist § 29 Abs. 2 WpÜG, welches Kontrolle als das Halten...

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