Rz. 30

In der Kfz-Versicherung kommt es auch häufiger vor, dass der Versicherungsnehmer eine Schadensanzeige insgesamt oder innerhalb der in den AKB vorgesehenen Frist von einer Woche unterlässt. Auch dies stellt eine Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls dar, die den Versicherer zu einem Regress berechtigen kann.

1. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

 

Rz. 31

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Versicherungsnehmer i.d.R. nicht bewusst seinen Versicherungsschutz gefährdet, also insoweit nicht vorsätzlich handelt. Zu Gunsten des Versicherers kann jedoch von einem vorsätzlichen Unterlassen der Schadensanzeige ausgegangen werden, wenn der Versicherungsnehmer trotz mehrfacher Aufforderung die ihm zugesendeten Schadensanzeigeformulare nicht ausfüllt und zurücksendet. Eine vorsätzliche Nichtanzeige liegt auch vor, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeige nur deshalb unterlässt, weil er davon ausgeht, dass aus rechtlichen Gründen kein Anspruch gegen ihn besteht und sich sodann bewusst über seine Anzeigepflicht hinwegsetzt.[24] Es liegt dann bei dem Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, den Grund für Obliegenheitsverletzung plausibel zu erklären. Im Übrigen muss sich der Versicherungsnehmer zumindest von seiner vermuteten groben Fahrlässigkeit exkulpieren, wobei die Rechtsprechung davon ausgeht, dass es dem Versicherungsnehmer unschwer möglich gewesen wäre, seine diesbezügliche Obliegenheit durch einen Blick in die AKB zu erkennen und dass Unterlassen dieser Einsicht i.d.R. grob fahrlässig[25] ist.

[24] OLG Köln VersR 2005, 1231; OLG Saarbrücken VersR 2002, 51.
[25] OLG Koblenz OLGR Koblenz 2009, 195; KG r+s 2003, 199; OLG Hamm VersR 1975, 749.

2. Kausalitätsgegenbeweis und Arglist

 

Rz. 32

Dem Versicherungsnehmer dürfte es aber im Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in vielen Fällen möglich sein, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen. Der Versicherer wird, wenn keine rechtzeitige Stellungnahme des Versicherungsnehmers vorliegt, im Rahmen des ihm zustehenden Regulierungsermessens und der ihm in der Rechtsprechung eingeräumten Prüfungsfrist von 4–6 Wochen[26] gut vertretbar den vom Unfallgegner geschilderten Sachverhalt seiner Regulierung zugrunde legen können. Zwingend ist eine solche "frühe" Regulierung jedoch nicht. Spätestens wenn der Versicherer Einsicht in die amtliche Ermittlungsakte erhält dürfte er i.d.R. über ausreichende Erkenntnisse verfügen, um den Verkehrsunfall einer vertretbaren Regulierung zuführen zu können, ohne dass eine darüber hinausgehende Stellungnahme des Versicherungsnehmers dem entgegensteht. Insoweit unterscheidet sich der Tatbestand der verspäteten Anzeige im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung von der der Kaskoversicherung, wenn der Versicherungsnehmer den Unfall nicht polizeilich aufnehmen lässt und die Anzeige so spät erfolgt, dass eigene erfolgversprechende Ermittlungen des Versicherers vereitelt werden.[27]

 

Rz. 33

Muster 16.7: Einwand bei Regress des Versicherers bei fehlender Schadensanzeige

 

Muster 16.7: Einwand bei Regress des Versicherers bei fehlender Schadensanzeige

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

ausweislich der beiliegenden Vollmacht beauftragte mich Ihr Versicherungsnehmer, Herr _________________________ aus _________________________, mit der Wahrnehmung seiner Interessen in der im Betreff genannten Angelegenheit. Anlass zur Beauftragung gibt Ihr Schreiben vom _________________________. Darin machen Sie gegen meinen Mandanten aus Anlass des Schadensfalls vom _________________________ einen Regressanspruch in Höhe von 2.500 EUR geltend. Zur Begründung führen Sie aus, mein Mandant habe eine Obliegenheitsverletzung in Form einer fehlenden Schadensanzeige begangen. Nach eingehender Prüfung der hier interessierenden Fragen zur Sach- und Rechtslage vermag ich mich der von Ihnen vertretenen Auffassung nicht anzuschließen.

1) Es fehlt bereits an einer vorsätzlichen Falschauskunft. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Versicherungsnehmer i.d.R. nicht bewusst seinen Versicherungsschutz gefährdet und daher zugunsten des Versicherers keine entsprechende Vermutung eingreift (BGH VersR 1979, 1117; OLG Hamm zfs 2005, 193). Im Übrigen liegt ein bewusstes Unterlassen der Schadensanzeige auch deshalb fern, weil _________________________.

2) Unabhängig hiervon scheidet ein Regress bereits deshalb aus, weil Ihnen der nach ihrer Meinung zutreffende Sachverhalt bereits bekannt ist und sich eine unterstellte Falschauskunft nicht ursächlich auf Ihre Feststellungen i.S.d. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG ausgewirkt hat: _________________________.

3) Und zudem ist darauf hinzuweisen, dass es an einer rechtzeitigen sowie formal und inhaltlich korrekten Belehrung i.S.d. § 28 Abs. 4 VVG fehlt. Zumindest haben Sie nicht den Nachweis dafür erbracht, dass meinen Mandanten eine solche ...

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