Rz. 23

Während sich wegen des damals geltenden "Alles-oder-nichts-Prinzip" in der Kaskoversicherung das Problem nicht stellte, waren in der KH-Versicherung beide Obliegenheitsverletzungen zu addieren, d.h. der Versicherer konnte bis max. 10.000 EUR regressieren (OLG Saarbrücken zfs 2003, 501; OLG Düsseldorf VersR 2004, 1406; BGH zfs 2006, 490; a.A. lediglich OLG Nürnberg zfs 2001, 316). Das wird gerechtfertigt mit dem unterschiedlichen Schutzzweck der vor und nach dem Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Obliegenheiten: Die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheiten, z.B. die Trunkenheitsklausel, sollten gerade den Eintritt des Schadensfalles verhindern, während Aufklärungsobliegenheiten (z.B. Unfallflucht) der Schadensminderung und der Prüfung der Leistungsfreiheit dienen."

Es ist davon auszugehen, dass auch nach der Änderung des VVG diese Grundsätze für die KH-Versicherung fortgelten (so jetzt auch OLG Celle zfs 2012, 571; OLG Frankfurt zfs 2018, 450).

Eine Anwendung auch auf das Kaskorecht würde dagegen dem in der VVG-Reform zu Tage getretenen gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen und das "Alles-oder-nichts-Prinzip" durch die Hintertür wieder einführen.[10]"

Nicht gefolgt werden kann deshalb z.B. dem LG Kassel (zfs 2011, 33), wenn es die jeweiligen Kürzungsquoten einfach addiert und so in der Regel wieder zur Leistungsfreiheit kommt. Nach richtiger Auffassung muss die angemessene Quote vielmehr in einer Gesamtabwägung gefunden werden, die in der Regel nur in Fällen grober und gehäufter Obliegenheitsverletzung zu völliger Leistungsfreiheit führen kann.

[10] Felsch, r+s 2007, 485 (496).

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