Rz. 135

Bei einer Testamentsvollstreckung, die länger als ein Jahr andauert, kann der Erbe – unabhängig davon, ob es sich um eine Verwaltungs- oder reine Abwicklungsvollstreckung handelt – aufgrund § 2218 Abs. 2 BGB eine jährliche Rechnungslegung verlangen.[207] Für die jährliche Rechnungslegung gelten dieselben Grundsätze wie für die Rechenschaftsablegung als Schlussabrechnung. Sie ist lediglich eine Art Zwischenbilanz. Bei unveränderten Beständen[208] käme es jedes Jahr zu Wiederholungen. Aus diesem Grund müssen unveränderte Bestände nicht immer wieder neu aufgelistet werden. Es kann dann auf die bereits bekannte unveränderte Angabe verwiesen werden.

 

Rz. 136

Weiterhin müssen aber sämtliche jährlichen Einnahmen und Ausgaben genau angegeben werden. Ebenso sind Zu- und Abflüsse von Vermögen in einer zeitlich-chronologischen Aufstellung vorzulegen. Bereits aus diesem Grund lohnt es sich, vorne in die Testamentsvollstreckerakte eine Tätigkeitsübersicht aufzunehmen.[209] Zu jedem Jahresende ist ein neuer Vermögensstatus in Form einer geordneten Vermögensübersicht zu erstellen, damit die Entwicklung und das Ergebnis der vermögensbezogenen Vorgänge des vergangenen Jahres für den Erben erkennbar ist.[210] Die Bestimmungen der §§ 1840, 1841 BGB über die mindestens einmal jährliche Berichterstattung und Rechnungslegung des Vormunds sind nicht ohne Weiteres auf den Testamentsvollstrecker anwendbar.[211]

 

Rz. 137

Hat der Erbe die Rechnungslegung jahrelang nicht gefordert, so kann die anschließende Geltendmachung nach § 242 BGB gegen Treu und Glauben verstoßen. Jedoch kann in diesem Fall die Nachholung dann verlangt werden, wenn der Erbe Tatsachen nachweist, die geeignet sind, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Testamentsvollstreckers und seiner Amtsführung zu erwecken.[212] Der Testamentsvollstrecker hat bei seiner Rechnungslegung alle Einnahmen und Ausgaben lückenlos mit Datum versehen aufzulisten.[213] Sofern z.B. Gebäude im Nachlass sind, muss er die einzelnen Posten wie Mieteinnahmen, Reparaturaufwendungen, Nebenkostenabrechnung, Steuern, Erschließungskosten, Versicherungen im Rahmen der Einnahmen und Ausgabenaufstellung getrennt aufführen.[214]

 

Rz. 138

Liegt bereits eine Handelsbilanz vor, so kann der Testamentsvollstrecker auf die kaufmännische Buchführung Bezug nehmen, sofern es sich nicht um eine reine Steuerbilanz handelt, die nicht die tatsächliche Ist-Situation widerspiegelt. Er kann dann auf den Jahresabschluss in Form einer Bilanz nach §§ 266 ff. HGB oder einer Gewinn- und Verlustrechnung schlicht verweisen. Bei nicht buchführungspflichtigen Unternehmen – wie z.B. Freiberuflern – ist eine Einnahme-/Überschussabrechnung ausreichend.

 

Rz. 139

Was die Frist zur jährlichen Rechnungslegung nach § 2218 Abs. 2 BGB angeht, so hat diese wie die Schlussabrechnung ebenfalls innerhalb einer angemessenen Frist beginnend ab Verlangen zu erfolgen.[215] Dabei sind aber weitere Umstände zu berücksichtigen. So ist § 149 Abs. 2 AO vom Testamentsvollstrecker zu beachten, da bis zum 31.5. eines Jahres die jährliche Einkommensteuererklärung abzugeben ist. Bei Kapitalgesellschaften muss die Jahresabrechnung innerhalb der Frist des § 264 HGB erstellt werden.[216]

[207] Staudinger/Dutta, § 2218 Rn 36; Klingelhöffer, § 2218 Rn 288.
[208] Wie z.B. eine Bibliothek oder eine Sammlung.
[209] Dazu Mayer/Bonefeld/Tanck, Testamentsvollstreckung, § 28 Rn 38.
[210] Staudinger/Dutta, § 2218 Rn 36; Bengel/Reimann/Pauli, HB Testamentsvollstreckung, § 6 Rn 297.
[211] So h.M. RG WarnR 1936 Nr. 159; RG SeuffA 90 Nr. 172; Winkler, Testamentsvollstrecker, Rn 483; Mayer/Bonefeld/Tanck, Testamentsvollstreckung, § 12 Rn 51; nach MüKo/Zimmermann, § 2218 Rn 11 können diese Vorschriften lediglich als Orientierungshilfe herangezogen werden. A.A.: Bengel/Reimann/Pauli, HB Testamentsvollstreckung, § 6 Rn 300; er fordert eine "vorsichtige analoge Anwendung der inhaltlichen Kriterien von §§ 1840, 1841 BGB", mildert aber gleichzeitig die Anforderungen an die Zumutbarkeitskriterien ab.
[212] Vgl. BGHZ 39, 87 ff. = BGH NJW 1963, 950; BGHZ 10, 385; RG Warn. 1, 277; 30, 186; nach RG HRspr 1941 Nr. 628 ist auch bei jahrelanger Entgegennahme von Leistung ohne Rechnung keine Verwirkung gegeben, wenn nicht weitere Anhaltpunkte dafür gegeben sind. Bereits 1916 hatte das RG (JW 1916, 673) hinsichtlich § 2215 Abs. 4 BGB erklärt, das jahrelange Begnügen mit einem privaten Verzeichnis schließt das Fordern eines amtlichen Nachlassverzeichnisses nicht aus. Die Lit. (insb. Herzfelder, JW 1916, 673) hat dem zugestimmt; nach neuester Rspr. des BGH (FamRZ 2003, 449) setzt Verwirkung neben einem Zeitablauf auch vertrauensbildendes Verhalten voraus.
[213] Vgl. Bengel/Reimann/Pauli, HB Testamentsvollstreckung, § 6 Rn 301–305; Mayer/Bonefeld/Tanck, Testamentsvollstreckung, § 12 Rn 52; Klingelhöffer, § 2218 Rn 286; Sarres, ZEV 2000, 92.
[214] Eine solche nach dem Objekt der Verwaltung differenzierende, detaillierte jährliche Rechnungslegung ist schon deshalb erforderlich, weil die Erben diese i.d...

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