Rz. 164

Der Pflichtteilsverzicht bildet ein praktisch äußerst bedeutsames Gestaltungsmittel zur Erweiterung der Testierfreiheit des Erblassers. Gleichzeitig kann er aber auch dazu dienen, die Pflichtteilsfestigkeit lebzeitiger Verfügungen zu gewährleisten.[351] Im Regelfall, also ohne Vereinbarung irgendwelcher Beschränkungen, bewirkt der Pflichtteilsverzicht, dass dem Verzichtenden im Erbfall keine Pflichtteilsansprüche mehr zustehen. Das gesetzliche Erbrecht lässt er jedoch unberührt. Demzufolge entfaltet der Pflichtteilsverzicht nur dann seine Wirkung, wenn der Erblasser auch eine das Pflichtteilsrecht des Verzichtenden beeinträchtigende Verfügung – unter Lebenden (Schenkung) oder von Todes wegen – trifft. Dies ist bei der gestaltenden Unternehmensnachfolge regelmäßig der Fall.

 

Rz. 165

Zur Absicherung der Unternehmensnachfolge genügt im Regelfall aber ein sog. gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht, durch den lediglich das zu übergebende Unternehmen bzw. der Anteil daran (also der Übertragungsgegenstand) von der Berechnung etwaiger Pflichtteilsansprüche ausgenommen wird.[352] Zu beachten ist hierbei aber, dass der Übertragungsgegenstand genau genug bezeichnet wird, damit im Falle späterer Auseinandersetzungen keine Zweifel aufkommen können, ob das Unternehmen vom Pflichtteilsverzicht vollständig erfasst ist.

 

Rz. 166

Muster 16.1: Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht (Unternehmen) 353 Vgl. hierzu auch Riedel, in: Uricher, Formularbuch Erbrecht, § 8 Rn 268.

 

Muster 16.1: Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht (Unternehmen)[353]

[Notarielle Urkundenformalien]

Die Erschienenen, _________________________ (Erblasser) und _________________________ (Verzichtender), erklärten mit der Bitte um notarielle Urkunde folgenden

Pflichtteilsverzichtsvertrag

I. Präambel

Der Verzichtende ist als Abkömmling/Ehegatte/Elternteil des Erblassers gesetzlich pflichtteilsberechtigt.

Der Erblasser beabsichtigt, eine das Pflichtteilsrecht des Verzichtenden möglicherweise beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen zu errichten.

II. Kausalgeschäft

Der Verzichtende verpflichtet sich, gegen Zahlung einer Gegenleistung in Höhe von _________________________ EUR auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht nach dem Erblasser zu verzichten. Der Erblasser verpflichtet sich, die vorgenannte Zahlung an den Verzichtenden zu leisten.

III. Pflichtteilsverzicht

Der Verzichtende verzichtet hiermit für sich und seine Abkömmlinge insoweit auf das Pflichtteilsrecht am Nachlass des Erblassers, als bei der Berechnung seines Pflichtteils einschließlich der Anwendung der §§ 2316 und 2325 BGB folgende Gegenstände als nicht zum Nachlass des Erblassers gehörend anzusehen und bei der Bestimmung des der Pflichtteilsberechnung zugrunde zu legenden Werts des Nachlasses außer Ansatz zu lassen sein sollen:

Das unter der Firma _________________________ e.K. betriebene Einzelunternehmen des Erblassers in _________________________, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts _________________________ unter der Nummer _________________________, einschließlich aller dazu gehörenden Aktiva und Passiva, wie sie sich aus der letzten vor dem Tod des Erblassers bzw. der lebzeitigen Übertragung des Unternehmens aufgestellten Handelsbilanz ergeben, sowie einschließlich aller nicht aktivierten, jedoch dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter, insbesondere des Sonderbetriebsvermögens im ertragsteuerlichen Sinne sowie eines etwaigen Firmenwerts (Goodwill);
das vorgenannte Einzelunternehmen betreffende bilanzierte oder nicht bilanzierte Verbindlichkeiten einschließlich solcher Verbindlichkeiten, die im ertragsteuerrechtlichen Sinne Sonderbetriebsvermögen darstellen.

Für den Fall, dass eine Einigung zwischen dem Verzichtenden und dem bzw. den späteren Pflichtteilsschuldnern über die Zugehörigkeit bestimmter Gegenstände, Vermögenspositionen oder Schulden zu dem vorgenannten Unternehmen nicht erreicht werden kann, unterwirft sich der Verzichtende insoweit der Entscheidung des als Schiedsgutachter fungierenden Steuerberaters, der die letzte vor dem Todestag des Erblassers erstellte Bilanz angefertigt hat.

IV. Belehrungen (Auszug)

Die Beteiligten wurden durch den beurkundenden Notar auf die Bestimmungen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts ausdrücklich hingewiesen und über deren Inhalt belehrt. Insbesondere wies der Notar darauf hin, dass das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden bestehen bleibt und der Pflichtteilsverzichtsvertrag keinerlei Wirkung entfaltet, sofern der Erblasser nicht zusätzlich in der Weise letztwillig verfügt, dass das Pflichtteilsrecht des Verzichtenden hierdurch beeinträchtigt wird.

[weitere Belehrungen, Durchführungsanweisungen, Vollmachten, Kosten]

 

Rz. 167

In der Regel wird ein – auch gegenständlich beschränkter – Pflichtteilsverzicht nur vereinbart werden können, wenn der Verzichtende hierfür eine (angemessene) Abfindung erhält.

 

Rz. 168

Dass ein Erbverzicht zur Absicherung der Unternehmensnachfolge wenig bzw. gar nicht geeignet ist, da...

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