Rz. 122

Unter Hinauskündigungsklauseln sind solche gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zu verstehen, die es ermöglichen, einen Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss oder – im Extremfall – durch einseitige Erklärung eines anderen Gesellschafters aus der Gesellschaft auszuschließen, ohne dass es zur Rechtfertigung dieser Maßnahme eines sachlichen oder sonstigen wichtigen Grundes i.S.d. Rechtsprechung bedürfte.

 

Rz. 123

In der Vergangenheit wurden Hinauskündigungsklauseln mit Blick auf die allgemeine Vertragsfreiheit lange Zeit als uneingeschränkt zulässig beurteilt.[285] Mittlerweile akzeptiert sie die Rechtsprechung aber – trotz erheblicher Kritik seitens der Literatur[286] – nur noch unter sehr engen Voraussetzungen und sieht in ihnen im Regelfall einen Verstoß gegen § 138 BGB.[287] Diese (veränderte) Sichtweise beruht in erster Linie auf dem Argument, dass durch die Möglichkeit der Hinauskündigung die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderliche Zusammenarbeit der Gesellschafter im Kern getroffen werde.[288] Darüber hinaus werde einer inakzeptablen, durch die Willkür der Mehrheit bestimmten Führung der Gesellschaft Tür und Tor geöffnet.[289] Im Übrigen stelle die Gesellschafterstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters oftmals dessen berufliche und wirtschaftliche Lebensgrundlage dar und dürfe deshalb nicht ohne Weiteres den Dispositionen Dritter anheimgestellt werden.[290] Die Frage, auf welche Weise der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung erlangt hat, spielt insoweit grundsätzlich keine Rolle.[291] Etwas anderes soll aber nach BGH[292] dann gelten, wenn ein neuer Gesellschafter in eine seit längerer Zeit bestehende Gesellschaft, im Entscheidungsfall eine Gemeinschaftspraxis von Laborärzten, aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein dazu dient, den Altgesellschaftern hinnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob eine dauerhafte gedeihliche Zusammenarbeit möglich ist. Insoweit liegt aber eindeutig eine Ausnahme von den oben dargestellten Grundsätzen vor.[293] Ähnlich (außergewöhnlich) dürfte sich die Situation auch bei der Aufnahme von Gesellschaftern in andere Freiberufler-Gesellschaften darstellen.[294]

 

Rz. 124

Die zu den Personengesellschaften entwickelten Grundsätze hat der BGH ausdrücklich auf die GmbH übertragen.[295] Satzungsmäßige Vereinbarungen, die einem Gesellschafter das Recht einräumen, die Gesellschafterstellung eines Mitgesellschafters nach freiem Ermessen zu beenden, sind grundsätzlich nichtig.[296]

 

Rz. 125

In welchen Fällen die Hinauskündigung – ausnahmsweise und durch besondere Umstände gerechtfertigt[297] – zulässig sein soll, hat der BGH bislang noch nicht mit über den jeweiligen Einzelfall[298] hinausgehender Begründung entschieden. Konkrete Fallgruppen wurden noch nicht gebildet. Klar ist aber, dass es auf die Angemessenheit der im Falle des Ausschlusses zu zahlenden Abfindung nicht ankommt.

 

Rz. 126

Nichtsdestotrotz hat der – ohne wichtigen Grund – ausgeschlossene Gesellschafter nach Auffassung des BGH Anspruch auf eine angemessene Abfindung.[299] Dabei ist grundsätzlich vom Maßstab des § 738 Abs. 1 BGB auszugehen und der volle Wert des Anteils zugrunde zu legen.[300] Sofern hiervon abweichende Gesellschaftsvertragsregelungen die berechtigten und schützenswerten Interessen der Beteiligten ausreichend berücksichtigen, ihre rechtliche Wirksamkeit aber keine Bedenken.[301] Buchwertklauseln scheiden hier im Regelfall aus.[302] Etwas anderes kann aber gelten, wenn der ausscheidende Gesellschafter z.B. durch Tätigkeitsvergütungen und Gewinnanteile ein angemessenes Entgelt für seinen (persönlichen und materiellen) Einsatz erhalten hat.[303]

[286] Flume, DB 1986, 629, 633; Schilling, ZGR 1979, 419, 425; Rittstieg, DB 1985, 2285, 2288 f.; Rasner, NJW 1983, 2905, 2908; Schöne, Gesellschafterausschluss bei Personengesellschafter, S. 44 f.
[291] Z.B. durch Erbfall, vgl. BGH v. 13.7.1981 – II ZR 56/80, BGHZ 81, 263, 270; Lohr/Prettl, in: Schlitt/Müller, Hdb Pflichtteilsrecht, § 4 Rn 153; Schöne, Gesellschafterausschluss bei Personengesellschaften, S. 93 ff.; die Frage, ob eine Anteilsschenkung – ohne weitere sachliche Voraussetzungen – als Ausschließungsgrund in Betracht kommt, hat der BGH in seinem Urt. v. 9.7.1990 (II ZR 194/89, BGHZ 112, 103 = GmbHR 1990, 449, 450) ausdrücklich offengelassen.

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