Rz. 13

Besonders prekär ist die Situation, wenn der längerlebende Elternteil nicht nur alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes ist, sondern auch in Personalunion Testamentsvollstrecker. Hier stellt sich stets die Frage, inwieweit ein Interessenwiderstreit vorliegt. Das OLG Nürnberg nahm mit durchaus überzeugenden Argumenten in dieser Konstellation einen generellen Interessenkonflikt i.S.v. § 1796 BGB an.[23] Deshalb sei ein Ergänzungspfleger zwingend zu bestellen. Zur Begründung führte es aus, andernfalls müssten die Eltern bzw. ein Elternteil als Testamentsvollstrecker über die Wahrung der Rechte des Minderjährigen gegenüber sich selbst wachen.[24]

Dem widersprach der BGH[25] mit der Feststellung, es bestehe "kein genereller Interessengegensatz zwischen dem elterlichen Sorgerecht und einer Testamentsvollstreckung über den Nachlass" (§§ 1629 Abs. 2, 1796 Abs. 2 BGB); ferner läge kein Fall des § 1795 Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB vor. Der Minderjährige sei ausreichend geschützt, wenn der testamentsvollstreckende Elternteil das Verzeichnis nach § 1640 BGB beim Familiengericht einreiche.[26]

Anders in dem Fall des OLG Köln:[27] Die Kindsmutter war auch Testamentsvollstreckerin. Ihr war aber die sorgerechtliche Vertretung des Kindes zur Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber ihr als Testamentsvollstreckerin zu entziehen. Einen erheblichen Interessengegensatz i.S.d. §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB hatte das Gericht aufgrund konkreter Umstände festgestellt. So hat sie "wegen ihres Misstrauens gegenüber der Justiz" erst auf Druck des Familiengerichts das Verzeichnis nach § 1640 BGB vorgelegt. Auch benötige sie zur Nachlassabwicklung Hilfe Dritter, zumal zum Nachlass Mietobjekte gehörten. Zudem brauche sie i.d.R. einen Dolmetscher, was bei der Verwaltung eines umfangreichen Nachlasses nachteilig sei.

 

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Praxishinweis

Grundsätzlich wird bei "normalen" Verhältnissen das Familiengericht keinen Pfleger bestellen, wenn der längerlebende Elternteil auch Testamentsvollstrecker ist. Vorsorglich sollte eine solche Gestaltung stets mit der Benennung eines Pflegers abgesichert werden.

[23] OLG Nürnberg ZEV 2002, 158; so auch OLG Hamm FamRZ 1993, 1122; BayObLG Rpfleger 1977, 440; so auch Enzensberger/Maar, Testamente für Geschiedene und Patchworkehen, § 4 Rn 19.
[25] BGH ZEV 2008, 330; so auch Scherer/Pawlytta, MAH ErbR, § 42 Rn 117; Palandt/Weidlich, § 2317 Rn 4; sehr detailliert Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, § 32 Rn 264 ff.; offengelassen durch OLG Köln ZEV 2019, 149, 150.
[26] BeckOK BGB/Lange, § 2215 Rn 8.

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