Rz. 7

Auch das Strafgericht hat sich mit der Fahreignung eines Täters auseinanderzusetzen.[14] Hierzu ist in § 69 StGB geregelt, dass dann, wenn eine Straftat bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen wurde, das Gericht die FE entzieht, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Führerscheininhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Für die Wiedererteilung hat das Gericht eine Sperrfrist (§ 69a StGB) festzulegen, während der grundsätzlich keine neue FE erteilt werden darf. Das Strafgericht ist nach § 267 Abs. 6 S. 2 StPO verpflichtet, in den Urteilsgründen anzugeben, warum die FE nicht nach § 69 StGB entzogen und eine Sperre für die Wiedererteilung einer FE nach § 69a StGB angeordnet wurde, wenn diese Maßregel nach der Art der Straftat in Betracht kam. Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn eine FE einer bestimmten Klasse nicht entzogen wird. Der Gesetzgeber musste daher in § 3 Abs. 4 StVG eine Kollisionsregel für die Fahreignungsbeurteilung durch das Strafgericht und die Fahreignungsbeurteilung durch die Verwaltungsbehörde treffen.

 

Rz. 8

Grundsätzlich gilt für die Verwaltungsbehörde der Vorrang der strafrichterlichen Entscheidung, § 3 Abs. 4 S. 1 StVG. Das gilt aber nur zu Lasten des FE-Inhabers. Die Behörde darf zugunsten des Betroffenen anders als das Strafgericht von der Fahreignung ausgehen.[15]

 

Rz. 9

§ 3 Abs. 3 und Abs. 4 StVG in der derzeit gültigen Fassung entspricht den Regelungen des § 4 Abs. 2 und Abs. 3 StVG a.F., so dass die Rechtsprechung zu § 4 StVG a.F. insofern noch herangezogen werden kann.

 

Rz. 10

Nach st. Rspr. des BVerwG muss ein Kraftfahrer in einem FE-Entziehungsverfahren nach § 3 StVG eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem damit festgestellten Sachverhalt gegen sich gelten lassen, sofern sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil ergeben.[16]

 

Rz. 11

Die Verwaltungsbehörde ist aber nur dann und insoweit an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung gebunden, als diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und als die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als das Strafgericht auszugehen hat.[17] Mit diesem grundsätzlichen Vorrang der strafrichterlichen vor verwaltungsbehördlichen Feststellungen sollen überflüssige, aufwendige und sich widersprechende Doppelprüfungen möglichst vermieden werden.[18]

 

Rz. 12

Bei der Entziehung der FE ist die Behörde in der Beurteilung der Eignung zum Kfz-Führer nach § 3 Abs. 3 StVG nur an das gebunden, was das Strafgericht in seinem schriftlichen Urteil ausdrücklich ausgeführt hat.[19] Nur wenn im Urteil Fragen der Eignung behandelt sind, tritt für die Behörde eine entsprechende Bindungswirkung ein.[20] Die Bindungswirkung lässt sich nur rechtfertigen, wenn die Verwaltungsbehörde den schriftlichen Urteilsgründen sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Fahreignung beurteilt hat. Deshalb entfällt die Bindungswirkung, wenn das Strafurteil überhaupt keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn jedenfalls in den schriftlichen Urteilsgründen unklar bleibt, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat.[21] Wenn sich einem Strafurteil keine Ausführungen zur Prüfung der Eignung durch das Strafgericht entnehmen lassen, so tritt keine Bindungswirkung ein. Es ist auch nicht der Strafrichter von den Verwaltungsgerichten zur Frage als Zeuge zu vernehmen, ob er die Eignung geprüft habe.[22] Lag ein zeitnahes negatives medizinisch-psychologisches Gutachten vor und hat das Strafgericht dieses nicht in die Eignungsbeurteilung einbezogen, liegt keine umfassende Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht vor. Die Bindungswirkung entfällt in einem solchen Fall[23]

 

Rz. 13

Die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde setzt voraus, dass die Behörde den schriftlichen Urteilsgründen auch hinreichend sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis der Strafrichter die Kraftfahreignung beurteilt hat.[24]

Hat das Strafgericht einem Angeklagten die FE für eine bestimmte Klasse belassen, im Übrigen aber die FE entzogen, so muss das Strafgericht nach § 267 Abs. 6 S. 2 StPO begründen, warum es den Angeklagten für fahrgeeignet im Hinblick auf diese Klasse ansieht. Das wird häufig übersehen. Fehlt eine entsprechende Aussage hinsichtlich der Fahreignung für die belassene Klasse im Strafurteil, hat das Strafgericht die Fahreignung insoweit nicht beurteilt. Damit tritt für die Verwaltungsbehörde keine Bindungswirkung ein – es kann dann durch die Verwaltungsbehörde die vom Strafgericht belassene Klasse nach den Regelungen des Fahrerlaubnisrechts (ggf. nach Aufklärungsmaßnahmen) entzogen werden.[25]

 

Beispiel

Einem FE-Inhaber wurde vom Strafgericht nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 2,06 Promille die FE entzogen, die Klasse L aber belassen, ohne zum Belassen der Klasse L etwas auszusagen. Die Fahrerlaubnisb...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge