Rz. 35

Trägt die Berufungsschrift keine Unterschrift, fehlt es an einem von Amts wegen zu prüfenden, für die Zulässigkeit des Rechtsmittels zwingenden und unverzichtbaren Formerfordernis (§ 295 Abs. 2 ZPO), das nicht durch rügelose Einlassung geheilt werden kann (§ 295 Abs. 1 ZPO).[45] Ein Wiedereinsetzungsantrag ist notfalls auch vorsorglich zu stellen und die versäumte Prozesshandlung nachzuholen, für den Fall, dass das Gericht die Unterschrift auf dem ursprünglich eingereichten Schriftsatz (endgültig) nicht akzeptieren und eine Berufung verwerfen wird.[46]

 

Rz. 36

In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass bei fehlender Unterzeichnung der bei Gericht fristgerecht eingereichten Rechtsmittel- bzw. Rechtsmittelbegründungsschrift eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen.[47] Für den Fall, dass das Büropersonal des Anwalts trotz entsprechender Anweisung die Unterschriftenkontrolle nicht durchführt, kann deswegen Wiedereinsetzung gewährt werden, da es sich nicht um ein Organisationsverschulden des Anwalts handelt, das der Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen wäre.

Zitat

"Da die Unterschriftenkontrolle, die der Rechtsanwalt zuverlässigen Bürokräften überlassen darf, gerade der Vermeidung eines erfahrungsgemäß nicht gänzlich ausschließbaren Anwaltsversehens bei der Unterschriftsleistung dient, kann auf ein zeitlich vor der unterbliebenen Unterschriftskontrolle liegendes Anwaltsversehen im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Berufungsschrift regelmäßig nicht zurückgegriffen werden."[48]

[46] BAG, a.a.O.
[47] BGH, Beschl. v. 14.10.2008 – VI ZB 37/08, VersR 2009, 699; BGH, Urt. v. 6.12.1995 – VIII ZR 12/95, VersR 1996, 910 f.; BGH, Urt. v. 30.10.1974 – VIII ZR 30/74, VersR 1975, 135; BGH, Beschl. v. 12.12.1984 – IV b ZB 103/84, VersR 1985, 285 f.; BGH, Beschl. v. 23.10.1986 – VII ZB 8/86, VersR 1987, 383 f.; BGH, Beschl. v. 27.9.1994 – XI ZB 9/94, VersR 1995, 479; BGH, Beschl. v. 15.2.2006 – XII ZB 215/05, VersR 2007, 375; BGH, Beschl. v. 1.6.2006 – III ZB 134/05, VersR 2007, 1101; BAG NJW 1966, 799; vgl. dazu auch Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 233 Rn 23.13.

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