Rz. 52

Eine Ausnahme gilt für die Sozialhilfe, zu deren Gunsten – aber auch zu deren Lasten – ein rechtskräftiges, vom Geschädigten erstrittenes Feststellungsurteil ebenso wie ein titelersetzendes Anerkenntnis wirken kann (siehe Rn 18).[48]

 

Rz. 53

Weitere Ausnahmen gelten bei Rechtsnachfolge[49] und für Ansprüche, die nur sukzessive nach § 6 EFZG, § 67 VVG a.F., § 86 VVG übergehen. Hier binden Erklärungen des Rechtsvorgängers den Rechtsnachfolger. Rechtsvorgänger kann

zum einen ein anderer Drittleistungsträger sein,
zum anderen aber auch der Verletzte selbst, wenn der Forderungsübergang nicht im Unfallzeitpunkt erfolgt, sondern später (z.B. Arbeitgeber, private Krankenversicherung, aber auch bei erst später begründetem Sozialversicherungsverhältnis).
 

Rz. 54

 

Beispiel 16.2

Der Arbeiter X wird am 12.1.2012 bei einem Verkehrsunfall verletzt. X schließt am 15.2.2013 mit dem Haftpflichtversicherer V des Schadenersatzpflichtigen einen Vergleich, wonach V dem A alle künftigen materiellen Schäden mit einer Haftungsquote von 60 % zu ersetzen hat.

Der RVT R verlangt Ersatz des Beitragsschadens sowie Ersatz einer Reha-Maßnahme. Der Arbeitgeber A verlangt Ersatz der Lohnfortzahlung in der Zeit vom 12.1. – 15.2.2012 sowie für die Zeit der Materialentfernung (1.10. – 30.10.2012), die private Krankenversicherung P verlangt Ersatz der ihr Januar 2012 und Oktober 2013 entstandenen Aufwendungen. Nachdem X im Jahre 2014 unfallkausal vorzeitig verrentet wird, verlangt auch die berufsständische Versorgung Ersatz ihrer Aufwendungen.

Die Frage der Unfallkausalität der Aufwendungen ist außer Streit. Aufgrund neuer Tatsachen stellt sich heraus, dass die Haftungsquote mit 80 % hätte angenommen werden müssen.

Ergebnis:

1. X selber kann keine Nachbesserung verlangen. Der Vergleich mit V legt verbindlich die Haftungsquote mit 60 % fest. X verzichtet zwar nicht – wie bei einem vorbehaltlosen Abfindungsvergleich – auf sämtliche künftige Ansprüche, er spricht allerdings einen Teilverzicht (nämlich in Höhe von 40 % seiner Ansprüche) aus.
2. Der RVT R erwirbt die Forderung nach § 116 SGB X und nach § 119 SGB X im Unfallzeitpunkt und kann die Quote eigenständig festmachen ohne dass die Einigung im Verhältnis X und V rechtlich verbindlichen Einfluss hat.
3.

Der Arbeitgeber A erwirbt die Forderung des X erst mit seiner jeweiligen Zahlung.

Hinsichtlich der Lohnfortzahlung unmittelbar nach dem Unfall erfolgte der Forderungsübergang auf A mit der Fortzahlung bereits im Januar und Februar 2012, so dass X durch den Abfindungsvergleich am 15.2.2013 auf das Forderungsvolumen keinen Einfluss mehr nehmen konnte.

Mit dem Vergleich am 15.2.2013 verzichtete X auf 40 % seiner künftigen Ersatzansprüche. Soweit A dann im Oktober 2013 Lohn fortzahlte, bestand eine Ersatzforderung des X nur noch in Höhe der Haftungsquote von 60 %, auf die weiteren 40 % hatte X verzichtet; A erwirbt von X im Oktober 2013 also nur gekürzt Ansprüche und kann maximal 60 % seiner Lohnfortzahlung ersetzt verlangen.

Anmerkung: Hätte A mit V im Februar 2004 eine Ersatzquote von 50 % verbindlich auch für weitere Lohnfortzahlungen vereinbart, so könnte A nicht mehr als diese 50 % verlangen. Er hat sich über ihm (A) bereits zugewiesene Ansprüche vergleichsweise verständigt.

4.

Für die private Krankenversicherung P gilt dasselbe wie für A.

Für die Forderung aus Januar 2012 verhandelt P die Quote selbstständig (auch unter Beachtung eines Quotenvorrechtes z.B. zugunsten einer gesetzlichen Krankenkasse), für die Forderung aus Oktober 2012 hat X die Haftungsquote[50] verbindlich auch für P vorgegeben.

5.

Die betriebliche Altersversorgung erwirbt per Abtretung Rechte des X.

Soweit X auf seine Rechte ganz (z.B. durch vorbehaltlose Abfindung) oder teilweise (z.B. Vereinbarung einer Haftungsquote) verzichtet hat, trifft dieser Verzicht die betriebliche Altersversorgung als Rechtsnachfolger des X unmittelbar.

Es kommt auf den Tag der Abtretung an.

[48] BGH v. 5.3.2002 – VI ZR 442/00 – BGHZ 150, 94 = DAR 2002, 305 = EWiR 2002, 745 (nur Ls.) (Anm. Plagemann) = HVBG-Info 2002, 1949 = NJW 2002, 1877 = NVersZ 2002, 563 = NZV 2002, 266 = r+s 2002, 241 = SP 2002, 337 = VersR 2002, 869 = VRS 102, 447 = zfs 2002, 337 = ZIP 2002, 1462 (Vorinstanz OLG Hamm v. 16.10.2000 – 13 U 89/00 – OLGR 2002, 340 = r+s 2002, 156 = SP 2001, 295). Siehe auch BGH v. 24.9.1996 – VI ZR 315/95 – DAR 1997, 24 = NJW 1996, 3418 = NZV 1997, 36 = r+s 1996, 488 = SP 1996, 410 = VersR 1996, 1548.
[49] OLG Koblenz v. 25.4.2005 – 12 U 289/04 – VersR 2006, 1382 (Anm. Keller VersR 2006, 1607).
[50] Wegen des Quotenvorrechts entspricht die Haftungsquote aber nicht der Regulierungsquote. Vielmehr ist unter Zugrundelegung der Haftungsquote der vom Schädiger geschuldete Betrag zu ermitteln und dann unter Anwendung des Quotenvorrechtes (und nicht verhältnismäßig) auf den unmittelbar Geschädigten und die weiteren Ersatzgläubiger zu verteilen.

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