Rz. 172

Doppelzustellungen[104] können auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Dabei kann eine Doppelzustellung ein Versehen sein oder aber der Versuch, eine vermeintlich oder tatsächlich unwirksame Zustellung zu heilen. Wir unterscheiden:

1. Doppelzustellung an dieselbe natürliche Person (Anwalt) in sein persönliches beA
2. Doppelzustellung an dieselbe natürliche Person, sowohl in ihr beA als auch z.B. in ihr beN oder beSt, wenn ein Rechtsanwalt gleichzeitig auch Steuerberater oder Notar ist und über ein weiteres besonderes elektronisches Postfach verfügt
3. Doppelzustellung an verschiedene Anwälte (natürliche Personen) derselben Kanzlei, die beide Mandatsträger sind
4. Doppelzustellung an RA als vertretungsberechtigter Gesellschafter/Partner einer Berufsausübungsgesellschaft in sein persönliches beA sowie an die Berufsausübungsgesellschaft als solche in ein Gesellschafts-beA, siehe hierzu auch § 2 Rdn 39 in diesem Werk.
5. Doppelzustellung an verschiedene Anwälte (natürliche Personen) derselben Kanzlei, bei denen nur einer Mandatsträger ist, der andere ist angestellter Rechtsanwalt
 

Rz. 173

Wird an mehrere Prozessbevollmächtigte zugestellt, so ist für den Beginn des Laufs der prozessualen Frist die zeitlich erste Zustellung ausschlaggebend,[105] denn gem. § 84 S. 1 ZPO sind mehrere Bevollmächtigte berechtigt, sowohl gemeinschaftlich als auch einzeln die Partei zu vertreten. Eine Beschränkung der Prozessvollmacht ist nur in den engen Grenzen des § 83 ZPO möglich. In dem vom BGH[106] entschiedenen Fall wurde die Partei von zwei Anwälten aus örtlich unterschiedlichen Kanzleien vertreten. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass dieser Grundsatz auch gilt, wenn Anwälte derselben Kanzlei angehören oder aber die Zustellung einerseits in ein Gesellschaftspostfach als auch andererseits an einen Anwalt persönlich erfolgt. Entscheidend ist nach unserer Auffassung, wer Mandatsträger ist. An jeden mandatstragenden Anwalt kann wirksam ein Zustellungsversuch erfolgen.

 

Rz. 174

 

Beispiel

RAin Dr. Groß vertritt den Mandanten als Haupt-/Prozessbevollmächtigte in einem Zivilverfahren. Als Unterbevollmächtigter hat sich RA Friedrich legitimiert. Die Mitarbeiterin des Gerichts nimmt nun die Zustellung zunächst an RA Friedrich mit Datum vom 13.6. vor; am 16.6. stellt sie zufällig fest, dass der Richter die Zustellung an RAin Dr. Groß verfügt hatte; es erfolgt somit nochmals eine Zustellung an das beA von RAin Dr. Groß. Da beide Anwälte aufgrund des Mandatsvertrags berechtigt sind, Zustellungen entgegenzunehmen, ist nun darauf zu achten, wer wann das Empfangsbekenntnis abgibt.

 

Rz. 175

Eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle ist nach dieser Rechtsprechung nur dann gewährleistet, wenn Vorkehrungen getroffen werden, dass für die Fristberechnung darauf geachtet wird, an wen zuerst zugestellt wurde.

 

Rz. 176

So bietet es sich an, Unterbevollmächtigte und Korrespondenzanwälte darauf hinzuweisen, dass über erfolgte Zustellungen nicht nur unverzüglich zu berichten ist, sondern vielmehr auch Empfangsbekenntnisse nur in Abstimmung mit dem Prozessbevollmächtigten abgegeben werden sollten, damit bei der Berechnung der Fristen, die in der Regel vom Prozessbevollmächtigten notiert und beachtet werden, keine Diskrepanzen entstehen. Damit ist nicht gemeint, fingierte Daten in den EBs oder eEBs anzugeben (siehe hierzu ausführlich Rdn 111 oben), vielmehr durch Gegenkontrolle/Abstimmung festzustellen, welches Zustellungsdatum für den Fristenlauf tatsächlich maßgeblich ist.

 

Rz. 177

Frage:

Besteht denn eine Verpflichtung, bei Doppelzustellungen zwei Empfangsbekenntnisse abzugeben?

Antwort:

"Das kommt darauf an."

Erfolgt eine Zustellung zweimal an dieselbe natürliche Person oder aber z.B. sowohl an die natürliche Person als auch an das Gesellschaftspostfach, bei dem diese Person als die Berufsausübungsgesellschaft vertretungsberechtigt hinterlegt ist, muss nach unserer Auffassung nur ein Empfangsbekenntnis abgegeben werden. Dabei spielt es eben auch nach unserer Auffassung keine Rolle, ob die Zustellung einmal im beN und zudem im beA erfolgt ist, weil es sich z.B. um einen Anwaltsnotar handelt. Das Empfangsbekenntnis sollte nach unserer Auffassung aber aus dem Postfach heraus abgegeben werden, das die Funktion repräsentiert, in der der Zustellungsempfänger tätig wird; in einem Zivilverfahren vor dem Landgericht besteht Anwaltszwang; weshalb es sich anbietet, dann auch das Empfangsbekenntnis aus dem beA heraus abzugeben und nicht aus dem beN. Zudem empfehlen wir, in diesen Fällen (Empfangsbekenntnis aus dem beN heraus) das Gericht zu informieren, dass eine Zustellung in dieser Sache künftig bitte nur noch in das beA erfolgt, um sowohl für das Gericht als auch den Anwalt Irritationen zu vermeiden, siehe dazu auch unter Rdn 179 unten.

 

Rz. 178

Doch was ist im Besonderen zu beachten, wenn eine Zustellung in ein Gesellschaftspostfach erfolgt und zusätzlich in das persönliche beA eines der die Gesellschaft vertretungsberechtigten Anwalts? Hierzu haben wir bereits ...

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