Rz. 56

In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen, § 172 Abs. 1 ZPO. Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt), § 195 Abs. 1 ZPO. Die Zustellung im Parteibetrieb ist entweder von Anwalt zu Anwalt oder aber durch den Gerichtsvollzieher möglich.[36]

 

Rz. 57

Grundsätzlich gilt, dass bei einer Zustellung im Parteibetrieb die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen, §§ 16690 ZPO, entsprechende Anwendung finden, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 19295 ZPO nichts anderes ergibt, § 191 ZPO. Etwas anderes ergibt sich z.B. bei der Zustellung elektronischer Dokumente durch den Gerichtsvollzieher an Anwälte, hier greift nicht § 173 Abs. 3 ZPO, sondern vielmehr § 193a Abs. 2 ZPO mit Zustellungsfiktion, siehe Rdn 252 ff. in diesem Kapitel.

 

Rz. 58

Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt ist in § 195 ZPO geregelt. Sofern die Parteien durch Anwälte vertreten werden, kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt; dasselbe gilt auch für die Zustellung von Schriftsätzen, die nach der ZPO von Amts wegen zugestellt werden, § 195 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO. Lediglich wenn dem Gegner mit dem Schriftsatz auch eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist, scheidet die Zustellung von Anwalt zu Anwalt aus.

 

Rz. 59

Probleme mit der Zustellung von Anwalt zu Anwalt hatten sich in der Vergangenheit durch eine Entscheidung des BGH im Oktober 2015[37] ergeben, der entschieden hatte, dass sich aus § 14 BORA keine Pflicht zur Entgegennahme einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt ableiten lässt, und ein Anwalt, der ein entsprechendes Empfangsbekenntnis nicht zurücksendet, keine ahndbare Berufspflichtverletzung begeht. § 14 BORA, der ursprünglich ohne Ermächtigungsgrundlage ins Leben gerufen wurde, stellte man zum 1.1.2018 auf "gesunde Füße", sodass seit diesem Zeitpunkt die BGH-Entscheidung aus 2015 obsolet geworden ist, denn der Gesetzgeber hat § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO dahingehend geändert, dass eine Ermächtigungsgrundlage für die Satzungsversammlung bezogen auf die Zustellung von Anwalt zu Anwalt aufgenommen wird (ebenso in § 52b Abs. 2 Nr. 7 PAO).[38] § 14 BORA konnte damit in der neuen "gesunden" Fassung zum 1.1.2018 in Kraft treten, siehe auch die Ausführungen ab Rdn 63 unten.

[36] Titel 2 – Verfahren bei Zustellungen, Untertitel 2 – Zustellungen auf Betreiben der Parteien, §§ 191 ff. ZPO.
[38] BT-Drucks 18/9521 v. 5.9.2016 "Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe", Art. 1 Nr. 21d; Beschlussempfehlung BT-Drucks 18/11468 v. 23.3.2017 sowie BR-Drucks 238/17 v. 24.3.2017; die Änderung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft; inzwischen verkündet: Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 12.5.2017 (BGBl I, 1121), in Kraft getreten am 18.5.2017.

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