Rz. 15

Früher brachte ein typisches Portfolio, bestehend aus 50 % Anleihen und 50 % Aktien, eine Rendite von ca. 8,0 % p.a.[12] Die Anleger profitierten von der oben beschriebenen Entwicklung der vergangenen 36 Jahre. Zusätzlich kam seit 1998 ein weiterer begünstigender Faktor hinzu: Im Jahr 1998 wurde Russland zahlungsunfähig, und der Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) ging Pleite. Daraufhin änderte sich die wirtschaftlich normale Korrelation zwischen Aktien und Anleihen. Was bedeutet das?

Bei gemischten Portfolios, bestehend aus Aktien und Anleihen, ergab sich in den vergangenen Jahren der große Vorteil, dass der Zusammenhang (Korrelation) zwischen Aktien und Anleihen negativ war (siehe Grafik[13]). Fielen die Aktien(-kurse), so stiegen die Anleihen(-kurse). Dies hatte den angenehmen Effekt, dass ein Portfolio relativ schwankungsarm zusammengesetzt werden konnte.

Abbildung: Korrelation von US-Aktien und US-Staatsanleihen

 

Rz. 16

Was ist der Hintergrund für diese Einschätzung? Normalerweise steigt der aktuelle Wert eines Unternehmens, wenn die Zinsen sinken. Dies liegt daran, dass die zukünftigen Zahlungsströme einer Firma auf den heutigen Zeitpunkt abgezinst bei einem höheren Zins geringer ausfallen als bei einem niedrigen Zins.

 

Beispiel

Eine Firma generiert jährlich auf Dauer einen Zahlungsstrom von 1000. Bei einem Zins von 10 % ergibt sich ein Firmenwert von 10.000. Bei einem Zins von 5 % entspricht dies einem Wert von 20.000.

Dies ist in "normalen" Zeiten sinnvoll, da ein niedriger Zins auf viele Bereiche der Wirtschaft stimulierend wirkt und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung für eine erhöhte Wirtschaftstätigkeit und somit steigende Firmenergebnisse sorgt. In Kenntnis und im Vertrauen auf diesen Mechanismus antizipierten die Marktteilnehmer diesen Prozess und sinkende Zinsen führten zu steigenden Marktwerten der Unternehmen.

 

Rz. 17

Dieses Vertrauen ist seit der Russland-Pleite und dem Zusammenbruch des Hedgefonds Long-Term Capital Management im Jahr 1998 gestört. Seither werden sinkende Zinsen als dauerhaft schlechte Perspektive bewertet, und infolgedessen ist die Korrelation negativ.

Lediglich in extremen Fällen der Überschuldung – wie beispielsweise Griechenland im Jahr 2011 – ist die Korrelation positiv, d.h. bei fallenden Anleihekursen (= steigende Zinsen) fallen auch die Aktienkurse. Griechenland mag aufgrund seiner desaströsen Politik und der "Corporate Governance" des gesamten Landes ein Sonderfall sein, allerdings ist der Zenit eines überschuldeten Landes auch bei besserer Politik und stärkerer Wirtschaftskraft irgendwann erreicht.

[12] Quelle: Refinitiv, HQ Trust GmbH, es wurde der MSCI Welt Index für Aktien und der Rexp Index für Anleihen verwendet.
[13] Quelle: HQ Trust GmbH.

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