Rz. 142

Bei der Überprüfung einer etwaigen Überschuldung des Nachlasses im Sinne des Insolvenzrechts und der Insolvenzantragspflicht aus § 1980 BGB bleiben die Vermächtnisse als Nachlassverbindlichkeiten außer Betracht, § 1980 Abs. 1 S. 3 BGB, § 317 InsO.

 

Rz. 143

Beruht die Überschuldung des Nachlasses aber auf den Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen, so stellt das Gesetz dem Erben eine einfachere Haftungsbeschränkungsmaßnahme zur Verfügung als die Nachlassinsolvenz: die Überschwerungseinrede des § 1992 BGB.

 

Rz. 144

Das Gesetz vermutet, der Erblasser habe durch seine Anordnungen keine Nachlassinsolvenz herbeiführen wollen. Deshalb ist im Falle der Überschwerung des Nachlasses durch Vermächtnisse bzw. Auflagen auch immer im Wege der – evtl. hypothetischen – Auslegung zu prüfen, ob der Erblasser die Anordnungen in dieser Höhe beibehalten wollte, wenn er gewusst hätte, dass der Nachlass dafür nicht ausreicht.

Die ergänzende (hypothetische) Testamentsauslegung hat Vorrang vor der Überschwerungseinrede.

Der Fall einer Überschuldung durch Vermächtnisse und Auflagen kann eintreten, wenn der Erblasser bei Testamentserrichtung ausreichend Vermögen zur Erfüllung seiner Anordnungen hatte, dieses Vermögen sich aber bis zu seinem Tode so weit verringert hat, dass eine Überschwerung eintritt.

 

Rz. 145

 

Hinweis für die Rechtsgestaltung

Bei Geldvermächtnissen sollte eine Obergrenze festgelegt werden: "… EUR, höchstens jedoch … % meines dereinstigen Netto-Nachlasses."

 

Rz. 146

Der Erbe kann nach Erhebung der Einrede die Vermächtnisnehmer nach §§ 1990, 1991 BGB auf den Restnachlass verweisen und den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Vermächtnisnehmers im Wege der Zwangsvollstreckung herausgeben. Erfüllt er die Verbindlichkeiten selbst, so ist er gem. §§ 1992, 1991 Abs. 4 BGB an die Reihenfolge des § 327 InsO gebunden.

 

Rz. 147

 

Hinweis

Zeichnet sich eine Überschwerung (oder auch eine Dürftigkeit nach § 1990 BGB) ab, so sollte der Erbe auf eine genaue Sonderung der Nachlassgegenstände von seinem Eigenvermögen achten und sie erforderlichenfalls in einem besonderen Raum lagern, damit im Ernstfall der Nachlass auch tatsächlich zur Verwertung herausgegeben werden kann.

 

Rz. 148

Hier konkretisiert sich das Recht der Haftungsbeschränkung in der Weise, dass dem Gläubiger seine Haftungsgrundlage – der Nachlass – in corpore zur Verfügung gestellt wird.

 

Rz. 149

Allerdings hat der Erbe wahlweise statt der Herausgabe ein Abfindungsrecht nach § 1992 S. 2 BGB: Zahlung des Wertes der Nachlassgegenstände an die Vermächtnisgläubiger.

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