Rz. 65

Gem. §§ 708, 709 ZPO wird ein Urteil in der Regel nur für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei entweder der Gläubiger Sicherheit leisten muss, wenn er die Zwangsvollstreckung beginnen möchte, oder aber der Schuldner Sicherheit leisten kann, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden.[42]

 

Rz. 66

Erwächst der Vollstreckungstitel nachfolgend in Rechtskraft, ist die Sicherheitsleistung nicht mehr erforderlich, so dass die Zwangsvollstreckung leichter betrieben werden kann und der erforderliche Kostenaufwand für die Sicherheit entfällt.

 

Rz. 67

Gegenüber dem Vollstreckungsorgan muss die Rechtskraft mittels eines Rechtskraftzeugnisses oder eines Notfristzeugnisses nachgewiesen werden, wenn die Durchführung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung beantragt oder deren Fortsetzung entgegen einer Sicherheitsleistung des Schuldners fortgesetzt werden soll.

 

Rz. 68

Nach § 706 ZPO kann ein Zeugnis über die Rechtskraft eines Urteils aufgrund der Prozessakten von der Geschäftsstelle des Prozessgerichts im ersten Rechtszug erteilt werden. Befinden sich die Akten noch in einem höheren Rechtszug, wird das Rechtskraftzeugnis von der Geschäftsstelle dieses Gerichts erteilt.

 

Rz. 69

Der Rechtsanwalt bedarf eines Rechtskraft- oder Notfristzeugnisses in unterschiedlichen Konstellationen:

Ist das Urteil lediglich gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt worden, so ist eine Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung erst nach Rechtskraft des Urteils möglich. Gegenüber den Vollstreckungsorganen wird die Rechtskraft des Urteils durch Vorlage eines Rechtskraftzeugnisses nach § 706 ZPO nachgewiesen.

Wurde das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt, weil eine vorläufige Vollstreckbarkeit kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, so tritt die gestalterische Wirkung des Urteils erst mit der Rechtskraft des Urteils ein. Auch hier muss die Rechtskraft gem. § 706 ZPO durch Rechtskraftzeugnis nachgewiesen werden.

 

Hinweis

Dies gilt in gleicher Weise nach § 894 ZPO, wenn der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt wurde. Die Willenserklärung gilt nach § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO als abgegeben, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt hat.

Wurde aufgrund eines gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils die Zwangsvollstreckung betrieben, so kann der Gläubiger die Sicherheit zurückverlangen,[43] wenn das zu vollstreckende Urteil rechtskräftig geworden ist. Eine entsprechende Anordnung nach § 715 ZPO durch das Prozessgericht setzt voraus, dass ein Zeugnis über die Rechtskraft des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils vorgelegt wird.[44]
Soll das Urteil im Ausland vollstreckt werden, so kann es nach internationalen oder binationalen Vollstreckungsübereinkommen erforderlich sein, den Eintritt der Rechtskraft der zu vollstreckenden Entscheidung nachzuweisen.
 

Rz. 70

Das Rechtskraftzeugnis dient dann dem Nachweis der formellen Rechtskraft, d.h. dem Nachweis, dass gegen die Entscheidung weder ein Rechtsmittel noch ein Einspruch oder eine Rüge nach § 321a ZPO formell möglich ist, d.h. die diesbezüglichen Fristen abgelaufen sind oder auf die Einlegung des Rechtsmittels wirksam verzichtet wurde.

 

Rz. 71

Das Rechtskraftzeugnis wird nicht von Amts wegen erteilt. Es bedarf vielmehr eines ausdrücklichen Antrags.[45]

 

Rz. 72

Das Rechtskraftzeugnis kann von den Parteien des Rechtsstreits und den Streithelfern beantragt[46] werden. Besondere Formvorschriften für den Antrag existieren nicht, so dass dieser schriftlich, aber auch zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden kann. Nach § 78 Abs. 5 ZPO besteht kein Anwaltszwang.

 

Rz. 73

Das Rechtskraftzeugnis wird grundsätzlich von dem Gericht der ersten Instanz aufgrund der dort vorliegenden Prozessakten erteilt.

 

Rz. 74

 

Tipp

Nimmt der Berufungskläger die Berufung nach § 516 Abs. 1 ZPO zurück, verliert er sein Berufungsrecht, so dass die Entscheidung unmittelbar rechtskräftig wird.

Auch wenn die Entscheidung hierüber nach § 516 Abs. 3 ZPO von Amts wegen zu ergehen hat, sollte auf die Bekanntgabe der Berufungsrücknahme beantragt[47] werden, dass der Verlust des Rechtsmittels festgestellt wird, dem Berufungskläger auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt werden und – zur Vermeidung von Zeitnachteilen, die durch die Rücksendung der Akten an das erstinstanzliche Prozessgericht entstehen – dass unmittelbar ein Rechtskraftzeugnis erteilt wird.

 

Rz. 75

Ist ein Urteil nur teilweise rechtskräftig,[48] so kann bezüglich des rechtskräftigen Teils auch ein Teilrechtskraftzeugnis erteilt werden.[49] Allerdings setzt das Teilrechtskraftzeugnis voraus, dass jede Möglichkeit einer Änderung im Rechtsmittelzug ausgeschlossen ist.[50]

 

Rz. 76

Ist für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses erforderlich, dass gegen ein Urteil kein Rechtsmittel eingelegt wurde, so genügt zu diesem Nachweis nach § 706 Abs. 2 ZPO ein Zeugnis der Geschäftsstelle des Rechtsmittelgerichts, dass bis zum Ablauf der Notfrist eine Rechtsmittelschrift nicht eingereicht wurde, d...

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